Drei kleine Negerlein, die hatten einen Unfall; da kamen sie zur Versicherung, da war es nur noch einer.

Mit ein wenig Humor lässt sich so das Regulierungsverhalten einiger Haftpflichtversicherer beschreiben, dem das AG Mülheim eine zutreffende, wenn auch etwas knapp begründete Absage erteilt hat.

Auf Deutschlands Straßen geschieht es immer wieder:

A, stolzer Halter und Fahrer eines nicht ganz preiswerten Neuwagens beschließt, seine Neuerwerbung gebührend vorzuführen, indem er einen in der Nachbarschaft wohnenden Angestellten seines Unternehmens ebenso zum Hauptbahnhof mitnimmt wie den zwei Häuser entfernt wohnenden Nachbarn, der eigentlich mit dem Bus fahren wollte.

Auf der Fahrt zum Hauptbahnhof kommt es, wie es oftmals so kommen muss: A gerät in einen unverschuldeten Unfall, bei dem sein Neuwagen erheblich beschädigt und seine beiden Mitfahrer nicht unerheblich verletzt werden.

Da A seit langem mit einem besonders versierten Fachanwalt für Verkehrsrecht befreundet ist, will er seine zufälligen Mitfahrer von der Verbindung profitieren lassen und schlägt vor, dass alle drei ihre Ansprüche vom Fachanwalt durchsetzen lassen.

Durch Vermittlung von A kann ein Termin beim Fachanwalt für alle drei zum gleichen Zeitpunkt relativ schnell vereinbart werden und mit dem Einverständnis aller Beteiligten wird die Unfallschilderung in Anwesenheit aller drei Mandanten in einem gemeinsamen Gespräch aufgenommen.

Alsdann legt der Fachanwalt – ordnungsgemäß – drei verschiedene Akten an, verfolgt die Ansprüche seiner höchst unterschiedlichen Mandanten – unter Einhaltung der anwaltlichen Verschwiegenheitsverpflichtung – weiter und zwar mit dem schönen Ergebnis, dass A seinen Schaden in Höhe von 20.000,00 EUR Reparaturkosten in vollem Umfang ersetzt erhält und die beiden anderen für ihre nicht unerheblichen Verletzungen Schmerzensgelder in Höhe von jeweils 5.000,00 EUR bekommen.

Nach der Abrechnung erlebt unser Fachanwalt allerdings eine kleine Überraschung. Die von ihm in den unterschiedlichen Akten erstellten Rechnungen werden nicht gezahlt, sondern die Versicherung möchte gerne eine einheitliche Geschäftsgebühr aus einer Art Gesamtstreitwert von 30.000,00 EUR zur Verfügung stellen.

Begründet wird diese – rechtlich sicherlich überraschende, in der Praxis aber immer wieder anzutreffende – Auffassung damit, es gehe doch um ein und denselben Verkehrsunfall, damit um einen einheitlichen Lebenssachverhalt und glücklicherweise hätten alle Geschädigten ja auch den gleichen Anwalt genommen. Hiervon wolle die Versicherung nun – sicherlich im Interesse der Versicherungsgemeinschaft – profitieren, indem man drei Angelegenheiten zu einer zusammenfasse.

Und manche Versicherungsgesellschaften gehen sogar einen Schritt weiter und halten es für eine Verpflichtung von solchen "Schicksalsgemeinschaften", sich einen gemeinsamen Anwalt zu nehmen, damit es möglichst preiswert wird.

Solche Überlegungen, die einem nachvollziehbaren, profitorientierten Denken einer Versicherungsgesellschaft entsprechen mögen, finden in geltendem Recht und insbesondere in geltendem Berufsrecht allerdings keine Basis.

Der Tourist, der mit 60 Mitreisenden mit dem Bus nach Spanien reist und auf der Reise einen Unfall erleidet, ist keineswegs verpflichtet, sich mit seinen Leidensgenossen zu verbünden und einen gemeinsamen Anwalt zu nehmen.[1] Und auch dann, wenn der eine oder andere – aufgrund einer Empfehlung – denselben Anwalt nimmt, hat dieser Mandant selbstverständlich einen Anspruch darauf, dass seine Privatsphäre gewahrt und seine persönlichen Angelegenheiten bei dem beauftragten Rechtsanwalt vertraulich behandelt werden.

Und deshalb ist ein verantwortungsvoll handelnder Rechtsanwalt nicht nur berechtigt, sondern geradezu verpflichtet, unterschiedliche Akten anzulegen und getrennt zu bearbeiten, die möglicherweise aus dem gleichen Unfallereignis herrühren. Jeder Geschädigte macht einen eigenen Ersatzanspruch geltend, will also gerade nicht dasselbe wie ein anderer Geschädigter.[2]

Gerade bei Schmerzensgeldansprüchen kommt es oftmals auf die sehr persönlichen Umstände des Geschädigten an und wer möchte schon, dass derartige Umstände einem weiteren Mitfahrer offenbart werden, weil der beauftragte Rechtsanwalt die Korrespondenz einheitlich über alle Ansprüche führt?

Aber auch der in unserem Beispielsfall auftretende Fahrer und Halter des Wagens, den er als Neuwagen vorgestellt hat, hat sicherlich kein Interesse daran, das durch das Gutachten und die Schadensabrechnung offenbarte kleine Geheimnis offenbart zu sehen, dass es sich um einen gebrauchten Jahreswagen handelt.

Und damit ist bereits berufsrechtlich eindeutig festzustellen, dass ein Rechtsanwalt in vielen Fällen gehindert ist, dem Ansinnen der Versicherungswirtschaft zu folgen und unterschiedliche Mandate als einheitliches Mandat zu führen und zu bearbeiten.

Aber auch zivilrechtlich findet die hier kritisierte Beurteilung durch Versicherungsgesellschaften eine klare und eindeutige Absage:

Die Kostenerstattung folgt dem dem Recht...

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