Das VG hat zu Unrecht entschieden, dass der Erinnerungsführer die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV und die Post- und Telekommunikationsdienstleistungspauschale nach Nr. 7002 VV nur einmal im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens gegenüber der Staatskasse geltend machen kann.

Dabei hat es zwar zutreffend angenommen, dass der Vergütungsanspruch des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts gegenüber der Staatskasse allein diejenigen Tätigkeiten erfasst, die der Anwalt nach dem Wirksamwerden seiner Beiordnung geleistet hat, nicht aber auch etwaige Tätigkeiten aus der vorangegangenen Zeit als Wahlanwalt (BGH, Beschl. v. 10.10.1995 – VI ZR 396/94, AGS 1997, 141, Rn 5 bei juris m.w.N.). Der Vergütungsanspruch gilt daher für alle nach der Beiordnung verwirklichten Gebührentatbestände, auch wenn diese bereits vor der Beiordnung erfüllt waren (Senatsbeschl. v. 15.8.2014 – OVG 6 K 70.14 unter Berufung auf BGH, Beschl. v. 21.2.2008 – I ZR 142/06, Rn 5 bei juris), sodass es hinsichtlich der hier streitigen Gebühren für die Erstattungsfähigkeit aus der Staatskasse nicht – wie der Erinnerungsführer meint – auf die prozessuale Situation im Zeitpunkt des Klageeingangs bei Gericht, sondern auf die prozessuale Situation im Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe bzw. der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs ankommt. Das VG hat aber verkannt, dass hier gleichwohl gebührenrechtlich von zwei Verfahren auszugehen war. Dass die beiden getrennt erhobenen, jeweils eine Gebühr nach Nr. 3100 und nach Nr. 7002 VV auslösenden Klagen der Kläger des Ausgangsverfahrens bereits unmittelbar nach Eingang bei Gericht faktisch zu einem einzigen Verfahren verbunden und unter einem einzigen Aktenzeichen geführt wurden, rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Um die beiden Klagen im Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags gebührenrechtlich als ein Verfahren ansehen zu können, hätte es einer Verbindung durch Beschluss nach § 93 S. 1 VwGO bedurft. Die im Ermessen des Gerichts stehende Verbindung verschiedener Verfahren zu einem einzigen Verfahren erfolgt nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm "durch Beschluss", der unabhängig von der strittigen Frage, ob er ausdrücklich ergehen muss oder konkludent erfolgen kann, grundsätzlich durch sämtliche Mitglieder des Spruchkörpers vorzunehmen ist. Er kann daher schon aus diesem Grunde nicht durch eine Eingangsverfügung des oder der Vorsitzenden eines Spruchkörpers ersetzt werden, in der die Führung beider Verfahren unter einem Aktenzeichen bestimmt wird. Diese gerichtsverwaltungstechnische Handhabung lässt die gebührenrechtlichen Ansprüche gegenüber der Staatskasse im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens vielmehr unberührt.

Die Weiterführung der beiden Klagen als ein einzelnes Verfahren nach der am 31.8.2009 erfolgten Übertragung auf den Vorsitzenden als Einzelrichter vermag einen (konkludenten) Verbindungsbeschluss nicht zu ersetzen. Der Vorsitzende knüpfte bei seinem weiteren Vorgehen lediglich an die vorgefundene prozessuale Situation an, ohne durch eigenes weiteres Verhalten neue Tatsachen zu schaffen.

Auch mit der vom VG in diesem Zusammenhang angeführten Entscheidung des VGH München (Beschl. v. 8.9.1976 – 87 II 76, Rn 11 bei juris) lässt sich vorliegend kein anderes Ergebnis begründen. Im dortigen Verfahren ging es um die Frage, ob die Augenscheinseinnahme in zwei im Übrigen getrennt geführten Verfahren durch einen damit beauftragten Richter eine einzige oder jeweils eine Beweisgebühr ausgelöst hatte. Der VGH hat angenommen, dass die Verwaltungsstreitsachen während der Beweisaufnahme eine Angelegenheit i.S.d. gebührenrechtlichen Vorschriften bildeten und dass es hierfür nicht eines ausdrücklichen Beschlusses nach § 93 S. 1 VwGO bedurfte. Dieser Fall ist mit der hier gegebenen Konstellation schon deshalb nicht vergleichbar, weil die Verbindung der beiden dortigen Verfahren im Rahmen der Beweisaufnahme durch den insoweit zuständigen beauftragten Richter erfolgte.

Schließlich gilt auch unter dem Gesichtspunkt der "rügelosen Einlassung", den das VG anführt, nichts anderes. Das VG verweist insoweit auf einen Beschluss des BVerwG vom 12.12.2001 – 9 B 72.01, in welchem dieses ausführt, dass eine stillschweigende Trennung des Verfahrens, auf die sich die Verfahrensbeteiligten rügelos eingelassen hätten, mit einer Verfahrensrüge nicht als ermessensfehlerhaft beanstandet werden könne (Rn 3 bei juris). Das VG entnimmt diesem Beschluss, dass eine solche stillschweigende Trennung bei rügeloser Einlassung jedenfalls "kein Nullum" darstelle und dass Entsprechendes auch für eine stillschweigende Verbindung zu gelten habe. Diese Argumentation verkennt, dass die prozessuale Situation im dortigen Fall mit der hier fraglichen Konstellation nicht vergleichbar ist. Dem in der Entscheidung des BVerwG angeführten Aspekt des Rügeverlusts eines behaupteten Verfahrensverstoßes liegt der Gedanke einer Obliegenheitsverletzung zugrunde. Ein Prozessbeteiligter ist gehalten...

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