Die Entscheidung ist im Zusammenhang mit der Entscheidung des BGH vom 4.2.2010 – I ZR 30/08[1] zu betrachten. Bereits hier geht der BGH davon aus, dass die für ein Abschlussschreiben entstehende Geschäftsgebühr im Allgemeinen auf der Grundlage von Nr. 2300 VV zu berechnen ist. Im konkreten Fall wurde jedoch die Anwendbarkeit von Nr. 2302 VV – Schreiben einfacher Art – bejaht.

Grundsätzlich wird man im Zusammenhang mit einem Abschlussschreiben zwischen drei unterschiedlichen gebührenrechtlichen Angelegenheiten differenzieren müssen:

a) Abmahnschreiben

Zunächst wird ein Anwalt in der Regel eine außergerichtliche Abmahnung im Rahmen eines Vertretungsmandats erstellen. Hierdurch wird aus dem Wert der Hauptsache eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV ausgelöst.

b) Einstweiliges Verfügungsverfahren

Kommt der Gegner der zuvor erfolgten außergerichtlichen Abmahnung nicht nach, so entsteht für die regelmäßig danach erfolgte Stellung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zusätzlich eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV. Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr für die Abmahnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV kommt nicht in Betracht, da die Abmahnung die Hauptsache betrifft und die dafür angefallene Geschäftsgebühr daher erst im Hauptsachverfahren anzurechnen ist.

c) Abschlussschreiben

Zuletzt wird regelmäßig zusätzlich der Auftrag zur Erstellung eines sog. Abschlussschreibens erteilt. Ein solcher Schriftsatz des Anwalts, mit dem er den Antragsgegner nach Erlass einer einstweiligen Verfügung auffordert, den Verfügungsanspruch anzuerkennen und auf seine Rechte gegen die einstweilige Verfügung zu verzichten, ist wiederum eine gesonderte gebührenrechtliche Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG. Hierdurch wird aus dem Wert der Hauptsache regelmäßig eine 1-3-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV ausgelöst. Es handelt sich bei einem Abschlussschreiben nach Ansicht der vorliegenden BGH-Entscheidung nicht um ein Schreiben einfacher Art nach Nr. 2302 VV, welches lediglich eine 0,3-Geschäftsgebühr auslöst. Dies kann im Einzelfall zwar anders zu beurteilen sein, so z.B., wenn der Antragsgegner seinen Widerspruch in der mündlichen Verhandlung im Verfügungsverfahren zurückgenommen und dort bereits die Abgabe einer Abschlusserklärung in Aussicht gestellt hat.[2] Diese Voraussetzungen eines solchen Ausnahmefalls lagen im Streitfall allerdings nicht vor. Der BGH rechtfertigt zudem den Anfall einer regelmäßigen 1,3-Geschäftsgebühr mit der Funktion des Abschlussschreibens. Dies ist nämlich einer die Hauptsache vorbereitenden Abmahnung vergleichbar, für die ebenfalls regelmäßig eine Gebühr von 1,3 angemessen ist.[3] Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich das Abschlussschreiben in der Regel nicht in einer bloßen Bezugnahme auf die bereits ergangene einstweilige Verfügung erschöpft, sondern mit ihm das Ziel verfolgt wird, einen Verzicht des Antragsgegners auf sämtliche Gegenrechte herbeizuführen. Zudem ist nach Zugang der Abschlusserklärung regelmäßig eine Prüfung erforderlich, ob die Erklärung inhaltlich ausreicht, um das Rechtsschutzziel zu erreichen.

Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Abmahnschreiben und Abschlussschreiben, die beide eine Geschäftsgebühr auslösen, handelt es sich allerdings um dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG.[4] Denn mit dem Abschlussschreiben wird die außergerichtliche Vertretung hinsichtlich der Hauptsache nur wieder aufgenommen und dem Verfügungsgegner nochmals Gelegenheit gegeben, die Sache ohne Hauptsacheprozess aus der Welt zu schaffen. Bei dem Abschlussschreiben handelt es sich daher nicht um einen neuen Auftrag, sondern nur um den Auftrag, in der Hauptsache weiter tätig zu werden. Die Gebühren entstehen daher nicht erneut (§ 15 Abs. 5 S. 1 RVG).[5] Allerdings führt das Abschlussschreiben dazu, dass sich der Gebührensatz der außergerichtlichen Vertretung erhöht.

 

Beispiel: Außergerichtliches Abschlussschreiben nach Abmahnung und Verfügungsverfahren

Der Anwalt mahnt den Gegner zunächst ab (Wert der Hauptsache: 40.000,00 EUR). Da der Gegner nicht reagiert, beantragt der Anwalt den Erlass einer einstweiligen Verfügung (Wert: 10.000.00 EUR), die der Anwalt für seinen Mandanten im Beschlussverfahren ohne mündliche Verhandlung erwirkt. Hiernach fordert er auftragsgemäß den Antragsgegner außergerichtlich auf, den Verfügungsanspruch anzuerkennen und auf seine Rechte gegen die Verfügung zu verzichten, was dann auch geschieht.

Für die Abmahnung entsteht eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV aus dem Wert der Hauptsache, also aus 40.000,00 EUR. Für das Verfügungsverfahren entsteht die Gebühr nach Nr. 3100 VV aus dem Wert von 10.000,00 EUR. Durch die Wiederaufnahme der außergerichtlichen Vertretung entsteht keine weitere Geschäftsgebühr. Die Tätigkeit betreffend das Abschlussschreiben stellt sich vielmehr als Fortsetzung der außergerichtlichen Vertretung dar und führt lediglich zu einer Erhöhung des Gebührensatzes.

I. Abmahnung (Wert: 40.000,00 EUR)

 
1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV 1.316,90 EUR
2. Auslagenpauschale, Nr. ...

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