BGB §§ 670, 675; ZPO § 104 Abs. 2 S. 3; RVG VV Nr. 7008

Leitsatz

  1. Ist der Anwalt zum Vorsteuerabzug berechtigt, darf er Reisekosten, in denen Umsatzsteuer enthalten ist, zunächst nur in Höhe der Netto-Beträge in seine Rechnung einstellen. Erst danach ist dann einheitlich nach Nr. 7008 VV Umsatzsteuer zu berechnen.
  2. Die Höhe der zu erstattenden Umsatzsteuer richtet sich nach dem Tag der Kostengrundentscheidung.

OLG Brandenburg, Beschl. v. 24.5.2011 – 6 W 71/09

1 Sachverhalt

Die Parteien beendeten den Rechtsstreit durch einen Vergleich, in dem sie vereinbarten, dass von den Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs der Kläger 20 % und der Beklagte 80 % trage.

Der Kläger beantragte daraufhin die Kostenausgleichung, darunter Reisekosten seiner vorsteuerabzugsberechtigten Prozessbevollmächtigten einschließlich Umsatzsteuer unter Vorlage von Belegen wie folgt:

 
Praxis-Beispiel

1. Für das Beweisverfahren und das Verfahren I. Instanz

Termin 20.1.2006 AG München

 
Bahnfahrt 133,00 EUR
Taxikosten 6,20 EUR

Termin 30.3.2007 LG Frankfurt (Oder)

 
Flugkosten inkl. Umbuchungen 565,93 EUR
Mietwagen 106,08 EUR
Benzin 15,70 EUR

2. Für das Verfahren zweiter Instanz

 
Flugkosten inkl. Umbuchungen 505,19 EUR
Mietwagen 102,40 EUR
Benzin 21,00 EUR
Übernachtung 85,00 EUR

Der Kläger erklärte, nicht vorsteuerabzugsberechtigt zu sein. Er hat auf die Reisekosten in der geltend gemachten Höhe Umsatzsteuer in Höhe des jeweils gültigen Umsatzsteuersatzes gem. Nr. 7008 VV beansprucht.

Das LG hat die Reisekosten erst nach Berechnung der Umsatzsteuer auf die übrigen Kosten berücksichtigt, weil in den geltend gemachten Reisekosten die Umsatzsteuer bereits enthalten sei. Das LG hat außerdem hinsichtlich der Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens eine Umsatzsteuer in Höhe von 16 % statt der vom Kläger geltend gemachten 19 % berücksichtigt, weil das selbstständige Beweisverfahren vor Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 % beendet gewesen sei.

Gegen diese Entscheidung wenden sich beide Parteien.

Der Kläger hat sofortige Beschwerde eingelegt, soweit das LG zu seinen Lasten Kosten abgesetzt hat. Er hat die Beschwerde zurückgenommen, soweit das LG hinsichtlich der Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens Umsatzsteuer in Höhe von 16 % statt der beantragten 19 % berücksichtigt hat.

Der Beklagte wendet sich gegen die Berücksichtigung der vom Kläger geltend gemachten Reise- und Nebenkosten – für das Verfahren erster Instanz teilweise, für das Verfahren zweiter Instanz vollständig.

Das LG hat den sofortigen Beschwerden der Parteien nicht abgeholfen und sie dem OLG vorgelegt.

Die sofortige Beschwerde des Beklagten hatte keinen Erfolg, die des Klägers teilweise.

2 Aus den Gründen

Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist unbegründet, soweit er sich gegen die Berücksichtigung eines Teils der für die erste Instanz geltend gemachten Reisekosten und Nebenkosten sowie gegen die Berücksichtigung von Reisekosten für die zweite Instanz insgesamt wendet.

a) Der Rechtsanwalt darf grundsätzlich das bequemste und zeitsparendste Reisemittel wählen. An- und Abreise mit dem Pkw zum Verhandlungstermin in erster Instanz wären bei einer Fahrtzeit für eine einfache Fahrt von mindestens acht Stunden an einem Tag ohnehin nicht möglich und jedenfalls nicht zumutbar gewesen, so dass noch Übernachtungskoten angefallen wären. Gleiches gilt für die An- und Abreise mit der Bahn. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers das Flugzeug als Reisemittel unter Vermeidung von Übernachtungskosten gewählt hat.

b) Der Kläger durfte auch seine Prozessbevollmächtigten erster Instanz mit seiner Vertretung im Berufungsverfahren beauftragen mit der Folge, dass die im Berufungsverfahren angefallenen Reisekosten seiner Prozessbevollmächtigten ebenfalls bei der Kostenausgleichung zu berücksichtigen sind.

3. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist lediglich im Umfang von 1,44 EUR begründet, soweit sich der Kläger dagegen wendet, dass Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV nicht auf die von ihm angemeldeten Reisekosten einschließlich der darin enthaltenen Umsatzsteuer berücksichtigt worden ist, im Übrigen ist sie unbegründet.

a) Anlässlich einer Geschäftsreise der Prozessbevollmächtigten des Klägers nach Nr. 7004 VV entstandene Fahrtkosten sowie Übernachtungskosten nach Nr. 7006 VV unterliegen als Auslagen und mithin Teil der Vergütung der Rechtsanwälte nach § 1 Abs. 1 S. 1 RVG gem. Nr. 7008 VV der zum Zeitpunkt der Kostengrundentscheidung maßgeblichen Umsatzsteuer, und zwar unabhängig davon, ob die Auslagen bei Anfall einem niedrigeren oder keinem Umsatzsteuersatz unterlagen (Göttlich/Mümmler, RVG, 3. Aufl., Stichwort "Reisekosten", Rn 8.4 Umsatzsteuer; OLG Dresden JurBüro 2008, 372).

b) Bei den Prozessbevollmächtigten des Klägers bleibt die Umsatzsteuer nicht unerhoben nach § 19 UStG. Das ergibt sich aus dem Umstand, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV auf ihre Vergütung erheben. Damit sind die Prozessbevollmächtigten des Klägers auch vorsteuerabzugsberechtigt. Soweit aber der zum Vor...

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