BGB § 286

Leitsatz

Im Routinefall einer Kündigung wegen Zahlungsverzugs (Rückstand mit zwei Monatsmieten) ist bei einem als Großvermieter einzustufenden Vermieter weder für die Erstmahnung noch für den Ausspruch der Kündigung die Einschaltung eines Anwalts notwendig; dies gilt auch dann, wenn die Vermieterin eine im Ausland ansässige Gesellschaft mit inländischem Wohnungsbestand ist.

BGH, Beschl. v. 31.1.2012 – VIII ZR 277/11

1 Aus den Gründen

Der Senat beabsichtigt, die zugelassene Revision der Beklagten gem. § 552a ZPO zurückzuweisen.

1. Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 552a S. 1, § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO) noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) erforderlich.

a) Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte, eine Versicherungsgesellschaft niederländischen Rechts, die in L. Eigentümerin eines Wohnkomplexes mit 142 Mietwohnungen ist, über ausreichend kaufmännisch vorgebildetes Personal verfügt und insoweit mit einem gewerblichen Großvermieter i.S.d. Senatsurt. v. 6.10.2010 (VIII ZR 271/09, WuM 2010, 740 [= AGS 2011, 102]) jedenfalls vergleichbar sei, gegenüber dem im Zeitraum von Dezember 2009 bis Februar 2010 mit seinen Mietzahlungen ganz oder teilweise säumigen Kläger sowohl die Erstmahnung hinsichtlich der aufgelaufenen Mietrückstände als auch die darauf gestützte fristlose Kündigung des Mietverhältnisses ohne Beauftragung eines Rechtsanwalts selbst hätte vornehmen können und müssen. Es hat die Revision zur Klärung der Frage zugelassen, ob bei einem – wie hier – rechtlich und tatsächlich einfach gelagerten Sachverhalt für diese Maßnahmen die Einschaltung eines Rechtsanwalts zweckmäßig und erforderlich gewesen sei und die dadurch entstandenen Kosten damit als Verzugsschaden erstattungsfähig seien, oder ob die Beklagte nach ihrer Infrastruktur nicht in der Lage hätte sein müssen, diese Schreiben ohne Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe selbst zu verfassen.

b) Die vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen tragen keinen der im Gesetz genannten Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO).

In der höchstrichterlichen Rspr. ist geklärt, dass ein Schädiger nicht schlechthin alle durch ein Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsverfolgungskosten des Geschädigten zu ersetzen hat, sondern nur solche Kosten, die aus der Ex-ante-Sicht einer vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Person in der Situation des Geschädigten nach den Umständen des Falles zur Wahrung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH, Urt. v. 6.4.1976 – VI ZR 246/74, BGHZ 66, 182, 192; v. 30.4.1986 – VIII ZR 112/85, WM 1986, 1056; v. 8.11.1994 – VI ZR 3/94, BGHZ 127, 348, 350 f.; v. 6.10.2010 – VIII ZR 271/09, a.a.O.). Ob die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit der ergriffenen Maßnahme gegeben ist, entzieht sich dabei einer generalisierenden Betrachtung; dies ist vielmehr vom Tatrichter aufgrund einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls festzustellen (BGH, Urt. v. 6.4.1976 – VI ZR 246/74, a.a.O. S. 193; v. 9.3.2011 – VIII ZR 132/10, WuM 2011, 214). Dabei gilt – und zwar auch hinsichtlich der Anforderungen an die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses wegen Mietzahlungsverzugs (vgl. Senatsurt. v. 6.10.2010 – VIII ZR 271/09, a.a.O.) -, dass in einfach gelagerten Fällen, bei denen mit rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten nicht zu rechnen ist, der Geschädigte eine erstmalige Geltendmachung seiner Rechte grundsätzlich selbst vornehmen kann, und dass es unter diesen Umständen zur sofortigen Einschaltung eines Rechtsanwalts zusätzlicher Voraussetzungen in der Person des Geschädigten wie etwa eines Mangels an geschäftlicher Gewandtheit oder einer Verhinderung zur Wahrnehmung seiner Rechte bedarf (BGH, Urt. v. 8.11.1994 – VI ZR 3/94, a.a.O. S. 352 m. W. Nachw.).

Vor diesem Hintergrund kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch bietet der vorliegende Fall Veranlassung, höchstrichterliche Leitsätze aufzustellen, für die nur dann ein Bedürfnis besteht, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (vgl. Senatsbeschl. v. 13.9.2011 – VIII ZR 84/11, WuM 2011, 690). Denn die Beantwortung der im Streitfall aufgeworfenen Rechtsfrage hängt weitgehend von der dem Tatrichter obliegenden Würdigung der betreffenden Einzelfallumstände ab, für die der rechtliche Rahmen in der höchstrichterlichen Rspr. bereits abgesteckt ist und an der sich das Berufungsgericht ersichtlich orientiert hat, so dass zugleich auch unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rspr. keine Entscheidung des Revisionsgerichts gefordert ist.

2. Die Sache hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung stand.

a) Das Berufungsg...

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