ZPO §§ 103 ff., 574, 586 S. 2

Leitsatz

  1. Der Einzelrichter hat bei Rechtssachen, in denen er einen Zulassungsgrund annimmt, zwingend das Verfahren an das Kollegium zu übertragen (§ 568 S. 2 Nr. 2 ZPO).
  2. Beachtet er dies nicht, ist seine Entscheidung objektiv willkürlich und verstößt gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters. Diesen Verstoß hat das Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu berücksichtigen.
  3. Die Entscheidung des Einzelrichters ist in diesem Fall aufzuheben.

BGH, Beschl. v. 19.4.2018 – V ZB 260/17 

1 Sachverhalt

Die Beklagte hat die Festsetzung der Kosten des Berufungsverfahrens beantragt und darin u.a. eine Terminsgebühr für ein Telefonat zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien i.H.v. 1.497,60 EUR beansprucht. In dem Kostenfestsetzungsbeschluss das LG die Terminsgebühr nicht berücksichtigt. Die sofortige Beschwerde der Beklagten hat das OLG durch Beschluss des Einzelrichters zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

2 Aus den Gründen

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Etwas anderes folgt nicht daraus, dass das Beschwerdegericht in dem Tenor die Rechtsbeschwerde zugelassen, abweichend davon aber die Voraussetzungen für die Zulassung in den Gründen verneint hat. Bei einem Widerspruch zwischen Tenor und Entscheidungsgründen ist grds. der Tenor maßgebend (vgl. BGH, Urt. v. 10.2.2011 – IX ZR 49/10, BGHZ 188, 317, Rn 36). So ist es auch hier. Allein der nicht auf den konkreten Fall bezogene Satz in den Gründen der Entscheidung, die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde seien nicht gegeben, lässt nicht erkennen, dass die Zulassung versehentlich erfolgt ist (§ 319 Abs. 1 ZPO).

Die Entscheidung über die Zulassung des Rechtsmittels ist auch nicht deshalb unwirksam, weil sie durch den Einzelrichter und nicht durch das voll besetzte Beschwerdegerichts erfolgt ist (vgl. Senat, Beschl. v. 22.2.2018 – V ZB 157/17, juris Rn 2; Beschl. v. 9.10.2014 – V ZB 154/14, juris Rn 2; BGH, Beschl. v. 13.3.2003 – IX ZB 134/02, BGHZ 154, 200, 201; std. Rspr.).

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Die angefochtene Entscheidung unterliegt bereits deshalb der Aufhebung, weil sie unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) ergangen ist. Der Einzelrichter hat bei Rechtssachen, in denen er einen Zulassungsgrund annimmt, zwingend das Verfahren an das Kollegium zu übertragen (§ 568 S. 2 Nr. 2 ZPO). Bejaht er mit der Zulassungsentscheidung zugleich die – im Sinne aller in § 574 Abs. 2 ZPO genannten Zulassungsgründe zu verstehende – grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, ist seine Entscheidung objektiv willkürlich und verstößt gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters. Diesen Verstoß hat das Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu berücksichtigen (std. Rspr.; Senat, Beschl. v. 22.2.2018 – V ZB 157/17, juris Rn 3; Beschl. v. 12.12.2013 – V ZB 178/13, GuT 2014, 279 Rn 8; Beschl. v. 9.10.2014 – V ZB 154/14, juris Rn 3; BGH, Beschl. v. 13.3.2003 – IX ZB 134/02, BGHZ 154, 200, 202 ff.).

3. Die Zurückverweisung der Sache erfolgt an den Einzelrichter (vgl. Senat, Beschl. v. 22.2.2018 – V ZB 157/17, juris Rn 7; Beschl. v. 9.10.2014 – V ZB 154/14, juris Rn 3; BGH, Beschl. v. 10.4.2003 – VII ZB 17/02, Rpfleger 2003, 448), der unter Berücksichtigung der Rechtsbeschwerdebegründung und der dort zitierten Rspr. zu überprüfen haben wird, ob die Voraussetzungen für eine Übertragung an das voll besetzte Beschwerdegericht gem. § 568 S. 2 ZPO vorliegen.

AGS 6/2018, S. 295

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