Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Nach Nr. 7000 Nr. 1a VV erhält der Rechtsanwalt die Aufwendung für Ablichtungen aus Behörden- und Gerichtsakten erstattet, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Bei dieser Beurteilung ist auf einen objektiven Maßstab als auch auf den Standpunkt eines vernünftigen sachkundigen Dritten abzustellen (std. Rspr.; vgl. Hartmann, KostG, 43. Aufl., 7000 VV Rn 6 m.w.N.). Zwar hat der Rechtsanwalt dabei einen gewissen und auch nicht zu engen Ermessensspielraum, was er für eine sachgerechte Bearbeitung benötigt, eine bloße Erleichterung oder Bequemlichkeit reicht indes nicht aus.

Im vorliegenden Fall hat der Pflichtverteidiger die komplette Verfahrensakte in digitalisierter Form zum weiteren Verbleib überlassen bekommen. Die Akte war damit inklusive aller Nebenbände in digitalisierter Form dem Rechtsanwalt zur Verfügung gestellt worden.

Vom Grundsatz sind danach sämtliche zum Ausgleich angemeldete Kopierkosten als nicht erforderliche Auslagen i.S.v. § 46 Abs. 1 RVG anzusehen. Der Pflichtverteidiger ist durch die vorliegend gewählte digitalisierte Übersendung der Verfahrensakte zum Verbleib in der Lage, auf sämtliche Informationen aus der Akte Zugriff nehmen zu können, sie mithin sachgerecht zu bearbeiten. Dieser Grundsatz kann allerdings durch entsprechenden Sachvortrag durchbrochen werden, da – wie das OLG Nürnberg in seiner Entscheidung v. 30.5.2017 (2 Ws 98/17) zutreffend ausführt – derzeit noch keine gesetzliche Verpflichtung eines Rechtsanwalts zur ausschließlichen Verwendung einer elektronischen bzw. digitalisierten Verfahrensakte besteht. Daraus folgt, dass nach wie vor die Notwendigkeit bestehen kann, zur sachgerechten Bearbeitung einer Rechtssache zusätzlich zu der digitalisiert zur Verfügung gestellten Akte auch Teile davon in Papierform zu erstellen. Aus dem Regelausnahmeprinzip folgt indes allerdings auch (insoweit Fortführung von OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.3.2012 – 2 Ws 49/12), dass den Rechtsanwalt, der die elektronische Akte ausdruckt, eine besondere Begründungs- und Darlegungslast trifft, warum dies "zusätzlich" zu der zur Verfügung gestellten digitalisierten Akte, die eine sachgerechte Bearbeitung bereits ermöglicht, notwendig war, wenn er diese zusätzlichen Ausdrucke ersetzt verlangt. Es geht damit nicht um die bei der Staatskasse liegende Beweislast, ob eine Auslagenersatz entfällt, sondern darum, ob ein zusätzlicher Auslagenersatz ausnahmsweise in Betracht kommt, wenn die sachgerechte Bearbeitung bereits ermöglich worden ist und die diesbezüglichen Kosten erbracht bzw. ersetzt worden sind.

Der Senat folgt hier in Übereinstimmung mit den Entscheidungen der Oberlandesgerichte München, Beschl. v. 3.11.2014, RVGreport 2015, 106; Köln StraFo 2010, 131, Celle RVGreport 2016, 417, dass zur Erfüllung des erhöhten Darlegungs- und Begründungsaufwands jedenfalls Gründe, die wie vorliegend im Ergebnis nur der Bequemlichkeit dienen, nicht ausreichend sind. Derartige Mehraufwendungen sind durch die Verfahrensgebühren bereits erfasst.

Ebenfalls nicht überzeugend ist der erstmals der in der Begründung v. 6.3.2018 vorgetragene Einwand, dass der Mandant, der der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig war und sich in Untersuchungshaft befand, selbstlesend die Akte zur Kenntnis nehmen musste. Es ist std. Rspr. und insoweit – soweit ersichtlich – übereinstimmende Rspr. unter den Oberlandesgerichten, dass die Erstellung eines Aktenduplikats für den Mandanten, soweit es zulässig ist, ohnehin nicht erstattungspflichtig ist. Das Argument, dass der Antragsteller die in PDF-Form digitalisierten Aktenteile nicht bearbeiten konnte, überzeugt ebenfalls nicht. Maßstab ist insoweit die durchschnittliche Ausstattung und die durchschnittlichen technischen Kenntnisse eines durchschnittlichen Rechtsanwalts. Dies zugrunde gelegt, ist die Bearbeitung einer digitalisierten Verfahrensakte jetziger Stand der Technik und der zu erwartenden Kenntnisse. Der Einwand, dass auch Richter und Staatsanwälte regelmäßig auf die Papierakten zurückgreifen, greift ebenfalls nicht durch, da dies teilweise durch Besonderheiten in der Prozessordnung geboten ist, die das Gericht, nicht aber den Verteidiger binden. Soweit sie i.Ü. der Bequemlichkeit dienen, steht dies auch dem Antragsteller frei, ist aber nicht als notwendige "sachgemäße" Bearbeitung gesondert erstattungsfähig.

Eine darüber hinausgehende Besonderheit im vorliegenden Verfahren, die den aus § 46 Abs. 1 RVG folgenden Grundsatz zu durchbrechen vermag, ist nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.

Inwieweit der dem Antragsteller hier (wohl) aus Gleichheitsgesichtspunkten vom Rechtspfleger für 500 Seiten zugesprochene Aufwandsersatz nach Nr. 7000 Nr. 1a VV zurückzufordern ist, da im Kostenrecht das Verschlechterungsverbot nicht gilt, hat der Senat nicht zu entscheiden.

AGS 6/2018, S. 267 - 269

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