Nach der eindeutigen Rspr. des 3. Zivilsenats des BGH (BGHZ 209, 120 ff., juris Rn 10 [= AGS 2016, 252] m. krit. Besprechung Hansens, RVGReport 2016, 186 ff. und Müller-Rabe, JurBüro 2017, 3 ff.) kommt es für die Erstattungsfähigkeit der Kosten für einen Rechtsanwalt allein auf die objektive Lage an: Ist ein Rechtsmittel – oder im hiesigen Fall die Klage – zum Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts durch die Gegenpartei (Beklagten) bereits zurückgenommen, sind dessen Kosten "objektiv" nicht (mehr) erforderlich. Dies gilt auch für die ermäßigte Gebühr – hier: Nr. 3101 VV. Wenn der Prozessbevollmächtigte des Beklagten erstmals nach der Rücknahme der Klage tätig geworden, also nicht aufgrund eines ihm erteilten Auftrags schon vor deren Rücknahme das Geschäft i.S.v. Vorbem. 3 Abs. 2 VV betrieben hat, fällt auch keine ermäßigte Gebühr an (vgl. BGHZ a.a.O., juris Rn 14). Dies hat das LG übersehen. Ob der Senat dieser Rspr. folgt, bleibt ausdrücklich offen.

Selbst wenn man aber diese Meinung des BGH nicht teilt, sondern der Ansicht folgt, dass die Kosten des Gegners (Beklagten) dann erstattungsfähig sind, wenn weder der Partei noch ihrem Prozessbevollmächtigten im Zeitpunkt der Einreichung der Klageerwiderung bzw. Verteidigungsanzeige bekannt war oder bekannt sein musste, dass die Rücknahme der Klage bereits erfolgt war (vgl. BAG AGS 2013, 98 ff., juris Rn 10 und die Nachweise bei BGHZ a.a.O. Rn 9, u.a. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., Anhang XIII Rn 45 ff., 48 m.w.N. zum Streitstand; zu § 80 FamFG aktuell BGH – XII ZB 447/16, Beschl. v. 25.1.2017, juris Rn 19, 23 ff. und OLG München AGS 2016, 547 ff. = juris Rn 32), kommt im vorliegenden Fall eine Kostenerstattungspflicht des Klägers nicht in Betracht. Der Senat muss nämlich davon ausgehen, dass dem Beklagten persönlich die Klagerücknahme – ebenso wie dem Prozessbevollmächtigten des Klägers – (spätestens) am 10.10.2016 zugegangen ist, er also an diesem Tag von der Rücknahme erfahren hat. Dann hätte er unverzüglich dafür Sorge tragen müssen, dass seine Versicherung einen kostenpflichtigen Auftrag nicht (mehr) erteilt. Die Prozessbevollmächtigten des Beklagten haben den Auftrag erst am 11.10.2016 um 9.44 Uhr erhalten, also nach Kenntnis des Beklagten von der Klagerücknahme.

Mitgeteilt von RiOLG Klaus Berghaus, Köln

AGS 5/2017, S. 251

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