Das AG gibt für seine Korrektur der ursprünglichen – rechtskräftigen- Kostengrundentscheidung keine Rechtsgrundlage an; auch die Klagepartei, die den Antrag auf Anpassung der Kostenquoten gestellt hat, nennt eine solche nicht, sondern beruft sich lediglich auf grobe Unbilligkeit bzw. greifbare Ungerechtigkeit der getroffenen Kostenregelung nach Änderung des Streitwerts. Dies vermag jedoch nicht die für die Korrektur erforderliche Rechtsgrundlage zu ersetzen und verkennt im übrigen das Prinzip der Rechtskraft. Eine Rechtsgrundlage für eine Durchbrechung derselben ist nicht ersichtlich, so dass der Beschl. v. 15.5.2012 aufzuheben war, mit der Konsequenz, dass die ursprüngliche Kostenregelung im Urt. 18.11.2011wieder gilt.

1. Eine Berichtigung gem. § 319 ZPO scheidet aus.

Hinsichtlich der Kostengrundentscheidung lag zum Zeitpunkt der Entscheidung kein Fehler bei der Willensbildung des Gerichts vor, da die Streitwertfestsetzung erst zu einem Zeitpunkt geändert wurde, als die Willensbildung betreffend die Kostenentscheidung unter Zugrundelegung der ursprünglichen Streitwertfestsetzung bereits abgeschlossen und das amtsgerichtliche Urteil insgesamt rechtskräftig geworden war.

Auch eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht; eine planwidrige Regelungslücke, die eine entsprechende Anwendung auf die vorliegende Fallkonstellation rechtfertigen könnte, liegt nicht vor. Dies hat der BGH, worauf die Beklagtenpartei zu Recht hinweist, ausdrücklich entschieden (BGH MDR 2008, 1292). Dies wird damit begründet, dass ansonsten eine mit § 99 Abs. 1 ZPO nicht zu vereinbarende Anfechtbarkeit der Kostenentscheidung ermöglicht und dies zu einer vom Gesetz nicht mehr gedeckten Durchbrechung der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung führen würde. Der BGH führt weiter aus, dass der mit diesem Ergebnis verbundene Wertungswiderspruch zwischen der Abänderbarkeit des Streitwerts und der mangelnden Möglichkeit, die Kostengrundentscheidung dem geänderten Streitwert anzupassen, mithin nur durch ein Eingreifen des Gesetzgebers, dem die Problematik seit langem bekannt sei, beseitigt werden könne (BGH, a.a.O.). Schon diese Ausführungen zeigen, dass die abändernde Entscheidung des AG keinen Bestand haben kann; die von der Klagepartei dargestellten Gerechtigkeitserwägungen vermögen nicht darüber hinwegzuhelfen, dass der Gesetzgeber eine Rechtsgrundlage für die Abänderung rechtskräftiger Kostengrundentscheidungen bislang nicht zur Verfügung gestellt hat.

2. Soweit die Klagepartei nunmehr ausführt, dass ihr Antrag auf Anpassung der Kostenquoten als Gegenvorstellung zu werten sei, erscheint auch dies nicht zielführend.

Als außerordentlicher Rechtsbehelf zielt die Gegenvorstellung, die aus einer analogen Anwendung von § 321a ZPO oder aus Art. 19 Abs. 4 GG abgeleitet wird, auf die Überprüfung ergangener gerichtlicher Entscheidungen durch dieselbe Instanz und dient dazu, versehentlich von dieser nicht berücksichtigte, aber bereits vorgetragene Tatsachen noch nachträglich zu berücksichtigen oder aber begangene Verfahrensfehler zu korrigieren (OLG Hamm, Beschl. v. 11.4.2011 – II-8 WF 53/11). Sie ist statthaft nur bei Beschlüssen, die nicht die Instanz abschließen, nicht mit der sofortigen Beschwerde oder Rechtsbeschwerde anfechtbar sind und die vom Gericht mangels materieller Rechtskraft abgeändert werden dürfen, und ist im übrigen nur in Ausnahmefällen eröffnet, so etwa bei Verletzung des rechtlichen Gehörs, Verstößen gegen die Garantie des gesetzlichen Richters oder gegen das Willkürverbot und bei greifbar gesetzwidrigen Entscheidungen (BGH NJW 1992, 1577; LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 6.12.2010 – L 27 R 1086/10 B RG; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 33. Aufl., § 567 Vorbem. Rn 14, 13). Schon ein derartiges nicht hinnehmbares prozessuales Unrecht in Gestalt der Verletzung von Grundrechten liegt hier nicht vor; die nachträgliche Unrichtigkeit einer Kostengrundentscheidung, deren isolierte Überprüfung/Korrektur der Gesetzgeber in § 99 Abs. 1 ZPO gerade ausschließt, genügt hierfür nicht.

Im Übrigen, kann, wie bereits einleitend ausgeführt, der formlose Rechtsbehelf der Gegenvorstellung nur dort stattfinden, wo ihm nicht die materielle Rechtskraft entgegensteht. Die Entscheidung des AG ist hier rechtskräftig geworden; Berufung wurde, worauf die Klagepartei zu Recht hinweist, nicht eingelegt. Rechtskräftige Entscheidungen können jedoch nur ausnahmsweise und nur unter den im Gesetz hierfür normierten Voraussetzungen abgeändert werden (OLG Stuttgart Justiz 2008, 253; LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 17.2.2010 – 7 Ta 26/10). Dies hat das BVerfG in seinem Beschl. v. 25.11.2008 – BvR 848/07 bestätigt. Danach ist es ausgeschlossen, gesetzlich geregelte Bindungen des Gerichts an seine eigenen Entscheidungen, wie sie sich insbesondere aus der Rechtskraft der Entscheidung auch zugunsten des anderen Verfahrensbeteiligten ergeben, ohne gegenläufige gesetzliche Grundlage mit Hilfe einer Gegenvorstellung zu übergehen (BVerfG BVerfGE 122, 190; BFH NJW 2009, 3053). Dies...

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