Einführung

Den Parteien steht es auch in einem anhängigen gerichtlichen Verfahren frei, ein Mandatsverhältnis zu beenden und mit ihrer Vertretung einen anderen Anwalt zu beauftragen, was jedoch zu entsprechend höheren Anwaltskosten führt. Der unterlegene und erstattungspflichtige Gegner wird dabei durch die Kostenschranke des § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO geschützt. Die Regelung bestimmt, dass die Kosten mehrerer Anwälte nur zu erstatten sind, wenn der Anwaltswechsel wegen der Person des Anwalts notwendig war. Nur in Ausnahmefällen kommt deshalb eine Kostenerstattung der Mehrkosten in Betracht. Auf den Geltungsbereich der Norm, ihre Ausnahme sowie auf die erfassten Kosten soll nachfolgend eingegangen werden.

I. Anwendungsbereich von § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO

1. Keine Auswirkungen auf das Innenverhältnis

Nach § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO sind die Kosten für die Beauftragung mehrerer Anwälte nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder ein Anwaltswechsel notwendig gewesen ist.

§ 91 Abs. 2 S. 2 ZPO berührt nicht das Recht der Partei, einen Anwaltswechsel vorzunehmen. Auch ist sie nicht verpflichtet, die Gründe für den Anwaltswechsel offenzulegen. Eine Kostenerstattung scheidet jedoch von vorherein aus, wenn die Gründe nicht mitgeteilt werden, weil eine Prüfung, ob die Mandatierung eines anderen Rechtsanwalts notwendig war und eine Übernahme dieser Kosten durch den Prozessgegner gerechtfertigt ist, nicht möglich ist.[1] Der BGH hat dabei mehrfach darauf hingewiesen, dass die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen des Ausnahmetatbestands i.S.d. § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO der Kostengläubiger zu tragen hat.[2]

Unabhängig davon, ob ein Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem unterlegenen Gegner wegen § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO ausgeschlossen ist, hat die Partei sämtliche von ihr beauftragte Anwälte aufgrund ihres Mandatsvertrags zu vergüten. Das kann zur Folge haben, dass die obsiegende Partei nicht ihre gesamten Anwaltskosten im Kostenfestsetzungsverfahren geltend machen kann.

[2] BGH AGS 2013, 93 u. MDR 2018, 116.

2. Sachlicher Anwendungsbereich

2.1 Gerichtliche Verfahren

Die Regelung des § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO gilt neben den Zivilsachen für sämtliche Verfahren, in denen durch die Verfahrensordnungen auf die Vorschrift verwiesen wird. Das gilt deshalb auch für Familienstreitsachen (§ 113 Abs. 1 FamFG), aber auch für die Familiensachen und sonstigen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Zwar enthält § 80 FamFG keine Verweisung auf § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO, jedoch schafft § 80 S. 1 FamFG nur einen Erstattungsanspruch wegen der notwendigen Aufwendungen der Beteiligten, so dass die Notwendigkeit eines Anwaltswechsels gleichfalls zu prüfen ist.

Im Bereich der Strafsachen findet § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO wegen § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO Anwendung, und zwar auch im Verhältnis zwischen Wahl- und Pflichtverteidiger.

In Finanzgerichtssachen bestimmt § 139 Abs. 1 FGO, dass zu den Kosten auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten gehören. Dazu zählt auch die gesetzliche Vergütung eines Anwalts. Gem. § 155 S. 1 FGO i.V.m. § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO sind jedoch regelmäßig nur die Kosten eines Anwalts erstattungsfähig. Das gilt auch dann, wenn wegen der Besonderheiten des Steuerprozesses die gleichzeitige Vertretung durch einen Anwalt und einen Steuerberater erforderlich war.[3]

Für die Verwaltungsgerichtsbarkeit bestimmt § 162 Abs. 1 VwGO, dass die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten zu erstatten sind. Erfasst sind wegen § 162 Abs. 2 S. 1 VwGO ausdrücklich auch die Kosten für einen Anwalt. Es gilt jedoch auch hier, dass die Kosten für einen Anwaltswechsel nur zu erstatten sind, wenn der Wechsel notwendig war. Auch sind die Mehrkosten wegen der gleichzeitigen Beauftragung mehrerer Anwälte nur dann erstattungsfähig, wenn auf einem Rechtsgebiet sehr spezielle Kenntnisse erforderlich sind.[4]

§ 193 Abs. 2 SGG regelt für die Sozialgerichtssachen, dass die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten erstattungsfähig sind. Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist dabei nach § 193 Abs. 3 SGG stets zu erstatten. Gleichwohl sind die durch einen Anwaltswechsel verursachten Mehrkosten nur erstattungsfähig, wenn der Wechsel weder auf einem Verschulden des Auftraggebers noch des ersten Anwalts beruht.[5]

In Arbeitsgerichtssachen ist wegen § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG eine Kostenerstattung, einschließlich der Kosten für einen Anwalt, im Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs ausgeschlossen, worauf vor Abschluss einer Vereinbarung über die Vertretung hinzuweisen ist (§ 12a Abs. 1 S. 2 ArbGG). Eine Ausnahme von dem Ausschluss der Kostenerstattung gilt nur für Kosten des Beklagten, die dadurch entstanden sind, dass der Kläger zunächst ein Gericht eines anderen Gerichtszweigs angerufen hat und dieses sodann an ein ArbG verwiesen hat (§ 12a Abs. 3 ArbGG).

Durch die Rspr. ist zwischenzeitlich geklärt, dass § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO auch für einen Anwaltswechsel zwischen Mah...

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