RVG VV Nr. 1008 SGB II § 7 Abs. 1 Nr. 1

Leitsatz

  1. Eine Abänderung der Vergütungsfestsetzung im Rahmen der Beratungshilfe auf die Erinnerung der Landeskasse zu Lasten des Rechtanwalts ist auch nach längerem Zeitablauf nicht wegen entgegenstehenden Vertrauensschutzes unzulässig.
  2. Eine Erhöhungsgebühr gem. Nr. 1008 VV kann im Rahmen der Beratungshilfe für Vertretung in SGB II-Sachen nur für die Vertretung solcher Personen gewährt werden, die gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB II einen eigenen Anspruch gegen die ARGE bzw. das Jobcenter haben.

AG Halle (Saale), Beschl. v. 18.1.2012 – 103 II 1701/10

1 Aus den Gründen

Die Erinnerung ist zulässig gem. § 56 Abs. 1 RVG i.V.m. §§ 11 Abs. 2, 24a RPflG. Die Erinnerung ist nicht wegen Zeitablaufs verwirkt (Beschl. d. Gerichts v. 16.1.2012 – 103 II 1861/10). Ein Vertrauensschutz besteht nicht, vielmehr mussten die Rechtsanwälte angesichts der Tatsache, dass die Landeskasse nach dem Gesetz unbefristet Erinnerung gegen die Vergütungsfestsetzung einlegen kann, mit einer Abänderung der Vergütungsfestsetzung zu ihren Lasten rechnen.

Die Erinnerung ist aber nur teilweise begründet.

Grundsätzlich kann, was auch die Landeskasse nicht in Zweifel zieht, in Beratungshilfesachen – entgegen der früheren Rspr. des Gerichts – eine Erhöhungsgebühr gem. Nr. 1008 VV zugesprochen werden (OLG Naumburg, Beschl. v. 25.5.2010 – 2 Wx 4/10).

Unzutreffend ist die Ansicht der Landeskasse, dass eine Erhöhungsgebühr gem. Nr. 1008 VV nur für solche Auftraggeber zugesprochen werden könne, die im Beratungshilfeschein aufgeführt sind. Diese Ansicht überschätzt die Bedeutung des Beratungshilfescheins. Vielmehr kann und muss auf der Grundlage eines einmal erteilten Scheins die gesamte Angelegenheit i.S.d. § 2 Abs. 2 BerHG abgerechnet werden, auch wenn hierzu weitere Rechtsfragen oder weitere Auftraggeber gehören, die im Beratungshilfeschein nicht aufgeführt sind. Maßgeblich ist allein, ob es noch dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 2 Abs. 2 BerHG ist. Die gegenteilige Ansicht der Landeskasse ist unpraktikabel. Im Drang der Geschäfte der Rechtsantragsstelle ist es den dort tätigen Rechtspflegern nicht zuzumuten, durch eingehende Nachfragen zu ermitteln, welchen genauen Umfang die beabsichtigte anwaltliche Tätigkeit aufgrund des erteilten Beratungshilfescheins haben soll und aus welchen Personen sich die Bedarfsgemeinschaft zusammensetzt. Davon abgesehen ist vorliegend ohnehin kein Beratungshilfeschein ausgestellt worden, vielmehr wird nachträglich Beratungshilfe zusammen mit der Vergütungsfestsetzung begehrt.

Zutreffend ist allerdings die Ansicht der Landeskasse, dass in SGB-II-Sachen Beratungshilfe nur solchen Personen bewilligt werden kann, die einen eigenen Anspruch gegen die ARGE bzw. das Jobcenter haben können, und das sind nur Personen ab dem vollendeten 15. Lebensjahr (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB II). Denn Kinder ohne eigenen Anspruch haben keinen Beratungsbedarf. Nur für solche Personen, die einen eigenen Anspruch haben, kann eine Erhöhungsgebühr gem. Nr. 1008 VV zugesprochen werden, denn wer nicht Beratungshilfe bekommt, kann im Rahmen der Vergütung für Beratungshilfe auch nicht als Auftraggeber bei der Erhöhungsgebühr berücksichtigt werden.

Im vorliegenden Fall haben die beiden Kinder der Antragsteller (geboren in den Jahren 1997 und 2000) das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet, erst recht galt das zum Zeitpunkt der im Rahmen der beantragten Beratungshilfe erbrachten Leistungen. Beratungshilfe ist daher nur den beiden in Bedarfsgemeinschaft lebenden Eltern zu bewilligen, sodass – wie die Landeskasse zu Recht ausführt – nur eine Erhöhungsgebühr berücksichtigt werden kann.

Dies ergibt folgende Berechnung:

 
Praxis-Beispiel
 
Geschäftsgebühr (Nr. 2503 VV) 70,00 EUR
Erhöhungsgebühr wegen zwei Auftraggebern (Nr. 1008 VV) 21,00 EUR
Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV) 18,20 EUR
Zwischensumme 109,20 EUR
19 % Umsatzsteuer 20,75 EUR
Summe 129,95 EUR

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