Beschwerden gegen Entscheidungen der Sozialgerichte in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes werden bei Abrechnung nach Betragsrahmen (§ 3 Abs. 1 RVG) derzeit mit den Gebühren der Nrn. 3501, 3515 VV vergütet. Versuche, eine analoge Anwendung der Vorbem. 3.2.1 VV zu erreichen oder aus dem Umkehrschluss zu Vorbem. 3.2 VV zu schließen, dass die höheren Gebühren eines Berufungsverfahrens gelten, sind von der Rechtsprechung bislang einhellig verworfen worden, wie die vorstehenden beiden Entscheidungen des LSG Hessen und des LSG Nordrhein-Westfalen belegen.

Weder kann also die höhere Verfahrensgebühr nach Nr. 3204 VV beansprucht werden, noch die höhere Terminsgebühr nach Nr. 3205 VV. Auch gibt es – im Gegensatz zu den zivilrechtlichen Gebühren (Nr. 3514 VV) – keinen Sondertatbestand für die Terminsgebühr, wenn das Beschwerdegericht die mündliche Verhandlung anberaumt. Es bleibt hier vielmehr bei den einfachen Gebühren.

 

Beispiel 1: Beschwerde gegen einstweilige Anordnung des Sozialgerichts (bisheriges Recht)

Gegen den Beschluss des SG, mit dem die Behörde zu einer vorläufigen Leistung verpflichtet worden ist, legt diese Beschwerde ein. Das SG verhandelt mündlich und entscheidet sodann.

Im Beschwerdeverfahren ist – ausgehend von den Mittelgebühren – wie folgt zu rechnen:

 
1. Verfahrensgebühr, Nr. 3501 VV   87,50 EUR
2. Terminsgebühr, Nr. 3515 VV   87,50 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 195,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   37,05 EUR
Gesamt   232,05 EUR

Zu Recht ist hiergegen Kritik erhoben worden, da es sich nicht um Beschwerden gegen Neben- oder Zwischenentscheidungen handelt, wie sie typischerweise den Nrn. 3500 ff. VV zugrunde liegen, sondern um Beschwerden in der Hauptsache.

Hinzu kommt, dass diese Verfahren nicht nur eine erhebliche Arbeit verursachen, sondern trotz ihrer angeblichen Vorläufigkeit häufig die Hauptsache vorwegnehmen, so dass der Anwalt hier besonders sorgfältig arbeiten muss.

Dieser besonderen Bedeutung der Beschwerden in sozialrechtlichen Eilsachen soll zukünftig Rechnung getragen werden. Der Rechtsanwalt soll die gleichen Gebühren erhalten wie in einem Berufungsverfahren. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass in den sozialrechtlichen Beschwerdeverfahren betreffend Entscheidungen des einstweiligen Rechtsschutzes die geringen Beschwerdegebühren nach Teil 3 Abschnitt 5 VV nicht angemessen sind, da diese Verfahren häufig sehr viel Arbeit und Aufwand verursachen und eine hohe Verantwortung des Anwalts gegeben ist. Daher ist beabsichtigt, die Beschwerden gegen Entscheidungen des SG im einstweiligen Rechtsschutz in den Katalog der Vorbem. 3.2.1 VV als neue Nr. 3 Buchst. a) aufzunehmen. Der Anwalt erhält dann die gleichen Gebühren wie in einem Berufungsverfahren. Er erhält also bei Abrechnung nach Rahmengebühren die Verfahrensgebühr nach Nr. 3204 VV und die Terminsgebühr nach Nr. 3205 VV.

Ob die Rspr. bei den Rahmengebühren dann allerdings – wie in erstinstanzlichen Verfahren – wegen des Eilcharakters grundsätzlich von einer unter der Mittelgebühr liegenden Gebühr ausgehen wird, bleibt abzuwarten.

 

Beispiel 2: Beschwerde gegen einstweilige Anordnung des Sozialgerichts ohne mündliche Verhandlung (neues Recht)

Gegen den Beschluss des SG, mit dem die Behörde zu einer vorläufigen Leistung verpflichtet worden ist, legt diese Beschwerde ein. Das SG entscheidet ohne mündliche Verhandlung.

Ausgehend von der Mittelgebühr und den ab dem 1.7.2013 geltenden Gebührenrahmen ist zukünftig wie folgt abzurechnen:

 
1. Verfahrensgebühr, Nr. 3204 VV   370,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 390,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   74,10 EUR
Gesamt   464,10 EUR

Kommt es zu einem Termin i.S.d. Vorbem. 3 Abs. 3 VV, entsteht eine Terminsgebühr nach Nr. 3205 VV.

 

Beispiel 3: Beschwerde gegen einstweilige Anordnung des Sozialgerichts mit mündlicher Verhandlung (neues Recht)

Gegen den Beschluss des SG, mit dem die Behörde zu einer vorläufigen Leistung verpflichtet worden ist, legt diese Beschwerde ein. Das SG verhandelt mündlich und entscheidet sodann.

Ausgehend von der Mittelgebühr und den ab dem 1.7.2013 geltenden Gebührenrahmen ist zukünftig wie folgt abzurechnen:

 
1. Verfahrensgebühr, Nr. 3204 VV   370,00 EUR
2. Terminsgebühr, Nr. 3205 VV   280,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 670,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   127,30 EUR
Gesamt   797,30 EUR

Infolge der Anhebung der Gebühren ergibt sich auch eine höhere Einigungs- und Erledigungsgebühr, da diese sich jetzt aufgrund der Neufassung der Nrn. 1005, 1006 VV[1] nach der Höhe der Verfahrensgebühr richtet.

 

Beispiel 4: Beschwerde gegen einstweilige Anordnung des Sozialgerichts mit mündlicher Verhandlung und Einigung (neues Recht)

Gegen den Beschluss des SG, mit dem die Behörde zu einer vorläufigen Leistung verpflichtet worden ist, legt diese Beschwerde ein. In der mündlichen Verhandlung wird eine Einigung getroffen.

Ausgehend von der Mittelgebühr u...

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