Mit der Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 4 zu Nr. 4141 VV ist durch das 2. KostRMoG ein weiterer Tatbestand der Zusätzlichen Gebühr eingeführt worden. Geregelt wird hier der Fall der Entscheidung über einen Einspruch gegen einen Strafbefehl ohne Hauptverhandlung.

Ist gegen den Beschuldigten ein Strafbefehl ergangen, so kann der Einspruch dagegen auf die Höhe der verhängten Tagessätze beschränkt werden. In diesem Fall kann das Gericht nach § 411 Abs. 1 S. 3 StPO mit Zustimmung des Beschuldigten durch Beschluss, also ohne Durchführung der ansonsten vorgesehenen Hauptverhandlung, entscheiden. Die Rspr. hat zum Teil hier bereits früher in analoger Anwendung der Nr. 4141 VV eine Zusätzliche Gebühr bejaht.[1] Andere Gerichte haben dagegen strikt auf den Wortlaut abgestellt und eine Zusätzliche Gebühr verneint.[2] Die vorgenommene Erweiterung in Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 4 zu Nr. 4141 VV stellt klar, dass die Zusätzliche Gebühr auch in diesem Fall entsteht.

Sinn und Zweck ist es auch hier, einen Anreiz für den Verteidiger zu schaffen, an einer Erledigung des Verfahrens ohne Hauptverhandlung mitzuwirken. Die Zustimmung zum Beschlussverfahren nach § 411 Abs. 1 S. 3 StPO erspart dem Gericht nämlich die Durchführung der Hauptverhandlung, wodurch der Anwalt andererseits die Terminsgebühr verliert. Hier soll durch die Zusätzliche Gebühr ein Ausgleich geschaffen werden. Die Regelung in Anm. Abs. 1 Nr. 4 zu Nr. 4141 VV ist damit vergleichbar der entsprechenden Regelung in Anm. Abs. 1 Nr. 5 zu Nr. 5115 VV. Dort fällt die Zusätzliche Gebühr ebenfalls an, wenn das Gericht im schriftlichen Verfahren durch Beschluss entscheidet.

Konsequent war es, die Mehrkosten der durchgeführten Hauptverhandlung der Staatskasse aufzuerlegen. Allerdings dürften diese – wenn überhaupt entstanden – denkbar gering sein.

Im Fall einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 411 Abs. 1 S. 3 StPO wären folgende Kosten angefallen, soweit man von den Mittelgebühren ausgeht:

 
Praxis-Beispiel

I. Anwalt

a) Vorbereitendes Verfahren

 
1. Grundgebühr, Nr. 4100 VV       200,00 EUR  
2. Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV   165,00 EUR      
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV         20,00 EUR
  Zwischensumme 385,00 EUR        
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV     73,15 EUR    
Gesamt     458,15 EUR    

b) Erstinstanzliches Verfahren vor dem Amtsgericht

 
1. Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV     165,00 EUR
2. Zusätzliche Gebühr, Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 4 zu Nr. 4141, Nr. 4106 VV     165,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV     20,00 EUR
  Zwischensumme 350,00 EUR    
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   66,50 EUR  
Gesamt   416,50 EUR  

II. Gericht

 
  Gebühr, Nr. 3118 GKG-KostVerz. 70,00 EUR

Aufgrund der durchgeführten Hauptverhandlung dürften folgende Kosten angefallen sein, wobei man bei der Terminsgebühr für die Hauptverhandlung wegen der Beschränkung des Einspruchs auf die Ratenzahlung und des geringen Aufwands wohl von der halben Mittelgebühr wird ausgehen müssen.

 
Praxis-Beispiel

I. Anwalt

a) Vorbereitendes Verfahren

 
  wie oben 458,15 EUR

b) Erstinstanzliches Verfahren vor dem Amtsgericht

 
1. Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV     165,00 EUR  
2. Terminsgebühr, Nr. 4108 VV     140,00 EUR  
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV     20,00 EUR  
  Zwischensumme 325,00 EUR      
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV       61,75 EUR
Gesamt   386,75 EUR    

II. Gericht

 
1. Gebühr, Nr. 3118 GKG-KostVerz.   70,00 EUR
2. Gebühr, Nr. 3119 GKG-KostVerz.[3]   70,00 EUR
Gesamt 140,00 EUR  

Die Durchführung der Hauptverhandlung hat also tatsächlich sogar Anwaltskosten i.H.v. 29,75 EUR eingespart, so dass ein Erstattungsanspruch des Angeklagten insoweit nicht bestehen dürfte. Mehrkosten sind nur bei den Gerichtsgebühren angefallen, und zwar i.H.v. 60,00 EUR.

Besser und lehrsamer für die Staatsanwaltschaft wäre es gewesen, wenn das Gericht von der Möglichkeit des § 464d StPO Gebrauch gemacht und die Kosten verhältnismäßig geteilt hätte.

Norbert Schneider

AGS 3/2016, S. 148 - 150

[1] AG Darmstadt AGS 2008, 2008, 344 = VRR 2008, 243 = StRR 2008, 243 = NJW-Spezial 2008, 601; AG Köln AGS 2008, 284 = RVGreport 2008, 226 = StRR 2008, 240 = VRR 2008, 238 = RVGprof. 2008, 135.
[2] OLG Frankfurt/M. AGS 2008, 487 = RVGreport 2008, 428 = VRR 2009, 80 = StRR 2009, 158 = RVGprof. 2009, 139 = NStZ-RR 2008, 360.
[3] Die Gebühr entsteht auch bei einem beschränkten Einspruch (Anm. S. 2 zu Nr. 3118 FamGKG-Kost.-Verz.).

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