Der Autor war von 2006 bis 2015 mit der Führung von zwei Umfangsverfahren betraut, in welchen die von ihm vertretenen Publikumsgesellschafter zweier Immobilienfonds des Berliner Sozialen Wohnungsbaus Schadenersatzansprüche wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzungen und aus Delikt gegen die Prospektherausgeberin – zugleich Erbbaurechtsgeberin der Fondsgrundstücke – verfolgten mit dem Ziel, so gestellt zu werden, wie sie stünden, wären sie die Beteiligung nicht eingegangen. Dabei war nicht der einzige, aber ein maßgeblicher Vorwurf, über die vormalige Nutzung des Fondsgrundstückes durch ein Gaswerk sowie den hieraus und aus diversen Begutachtungen resultierenden Altlastenverdacht sei nicht aufgeklärt worden. Da es einen etwas kleineren und etwas älteren Fonds (von 1994) und einen deutlich größeren, 1996 aufgelegten zweiten Fonds gab, wurden zwei Ausgangsverfahren geführt, in denen sich freilich die Problematik fast identisch darstellte, weil es sich um unterschiedliche Teilflächen der insgesamt weitaus größeren Altlasten-Verdachtsfläche handelte: das erste mit 39 streitgenössisch klagenden Gesellschaftern (Streitwert nach § 63 GKG: 7,6 Mio. EUR), das zweite mit 164 Klägern, die Ansprüche von zusammen 36,7 Mio. EUR verfolgten. In letzterem betrug der vom Gericht – richtigerweise – festgesetzte Kostenstreitwert also 30 Mio. EUR, § 39 Abs. 2 GKG. Nach Klageabweisung durch das LG schwebten die Verfahren – für 17 Berufungskläger im ersten und für 150 im zweiten Ausgangsverfahren – jahrelang beim KG.

Nachdem einige Rechtsschutzversicherer, die den Klägern dieser Verfahren Deckung zugesagt hatten, unverrückbar auf dem Standpunkt verharrten, die dafür zu zahlenden Anwaltsgebühren seien "zu verquoten", um die ihren Versicherungsnehmern geschuldete Ersatzleistung – d.i.: die "gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwaltes" – zu ermitteln, machte der Autor eine kleine Verfahrensserie quer durchs Bundesgebiet anhängig. Um die Streitfrage einer möglichst breit gefächerten Klärung zuzuführen, erhob die Sozietät, der er angehörte, eine Vergütungsklage im Gerichtsstand des Prozessgerichtes, § 34 ZPO, und sechs weitere bei Wohnsitzgerichten von Mandanten, §§ 12 f. ZPO.

In allen Fällen war ein ergebnisloses Schlichtungsverfahren vorausgegangen: Der Versicherungsombudsmann hatte eine Entscheidung entweder wegen Rechtsgrundsätzlichkeit der Streitfrage oder aber deswegen abgelehnt, weil der jeweilige Rechtsschutzversicherer sich für die Abwehr des anwaltlichen Vergütungsanspruches gutgesagt hatte.[4] Sämtliche Verfahren wurden demnach faktisch gegen den Rechtsschutzversicherer der Mandanten und nicht diese selbst geführt, und erstere bestellten auch den Anwalt.

Klageziel war jeweils die Zahlung der aus der Anspruchshöhe des einzelnen Mandanten – als "eigene Angelegenheit" – berechneten Vergütung für dessen Vertretung im Berufungsverfahren, und zwar als Vorschuss – § 9 RVG –, weil die Ausgangsverfahren ja noch schwebten; das freilich jeweils schon seit vielen Jahren.

In einem achten Verfahren stellte sich die Frage mit vertauschten Parteirollen, nämlich im Rahmen der Prüfung eines Anspruches wegen anwaltlicher Pflichtverletzung, wobei die Rechtsschutzversicherer als Streithelfer des klagenden Mandanten auftraten. Die Ergebnisse der Serie werden nachstehend geschildert:

[4] Vgl. dazu nunmehr BGH AGS 2016, 40 = WM 2015, 2241 = VersR 2015, 1501 = RuS 2015, 604 = AnwBl 2016, 74 = NJW 2016, 61 = MDR 2016, 26 = zfs 2016, 35 = JurBüro 2016, 96 = BB 2015, 2881 = RVGreport 2016, 37.

1. LG Münster v. 29.3.2011 – 4 O 199/10 /OLG Hamm v. 8.11.2011 – I-28 U 89/11

a) Als erstes Gericht entschied das LG Münster in Kammerbesetzung zugunsten der klagenden Sozietät. Es prüfte für die Frage, ob die Vertretung in den 17 bzw. 150 Prozessrechtsverhältnissen "dieselbe" Angelegenheit darstellte oder nicht, die drei Kriterien des

einheitlichen Auftrages,
gleichen Rahmens und
inneren Zusammenhangs,[5]

und verstand letzteren, den Leitsatz der Entscheidung[6] zitierend, dahin, dass "die verschiedenen Rechtsverhältnisse einander nach Inhalt, Ziel und Zweck so weitgehend entsprechen, dass sie den Anwalt zu einem gleichgerichteten Vorgehen für alle Auftraggeber berechtigen und verpflichten", was die Kammer verneinte. Daneben führte sie – wohl nicht tragend – an, dass die Zusammenfassung verschiedener Gegenstände zu "einer" Angelegenheit im Vergütungsrecht durch eine Arbeitserleichterung motiviert sei, von der der Anwalt durch einheitliche Bearbeitung profitiere; dies verneinte sie vorliegend, weil es für jeden Kläger auf seine Anlageziele, die individuelle Aufklärung zum Beitrittszeitpunkt, die Kausalität bzw. Relevanz des Prospektfehlers für den jeweiligen Beitritt, das Erfordernis der Darlegung von Alternativanlagen und individuell erzielter Steuerersparnisse sowie die für jeden Kläger einzeln zu prüfende Verjährungseinrede ankam, eine solche Arbeitserleichterung im Prozessstoff der Ausgangsverfahren also nicht angelegt war.

b) Die Berufung der Rechtsschutzversicherer wies das OLG durch den für das anwaltliche Vergütungs- und Haft...

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