Die Rechtspflegerin ist zutreffend zu der Bewertung gelangt, dass neben der im Verfahren 7 KLs 9/11 mit dem Eingang der Anklageschrift vom 10.3.2011 beim LG angefallenen Verfahrensgebühr Nr. 4112 VV dieselbe Gebühr nicht noch einmal für das Verfahren 7 KLs 17/11 beansprucht werden kann, weil nur ein Rechtsfall im gebührenrechtlichen Sinne vorliegt.

Zwar verkennt der Senat nicht, dass die Rücknahme der ersten Anklageschrift zur Erledigung des unter dem Aktenzeichen 17 KLs 9/11 geführten gerichtlichen Verfahrens und die Einreichung der zweiten Anklageschrift beim LG Düsseldorf zur Eintragung eines neuen Verfahrens unter dem Aktenzeichen 17 KLs 17/11 sowie zur erneuten Veranlassung der im Zwischenverfahren erforderlichen prozessualen Maßnahmen, insbesondere der Zustellung der neuen Anklageschrift verbunden mit einer Frist zur Stellungnahme, geführt hat. Diese formalen Aspekte führen indes nach Auffassung des Senats nicht ohne Weiteres zum Anfall einer zweiten Gebühr nach Nr. 4112 VV (für den Fall der Rücknahme der ersten und Neueinrechnung einer inhaltsgleichen zweiten Anklageschrift vor einem anderen Gericht ebenso: OLG Köln, Beschl. v. 5.2.2010 – 2 Ws 39/1; Burhoff, RVG, 3. Aufl., Vergütungs-ABC Rn 76; a.A. LG Duisburg, Beschl. v. 12.9.2011 – 31 KLs 183 Js 318/10-39/10).

Entscheidend ist vielmehr, ob es sich im gebührenrechtlichen Sinne (§ 15 ff. RVG) um einen neuen – weitere Gebührenansprüche auslösenden – Rechtsfall handelt oder um dieselbe Angelegenheit, für die der Rechtsanwalt nach der einschränkenden Vorschrift des § 15 Abs. 2 RVG die Gebühr nur einmal verlangen kann.

Gemessen an den in Lit. und Rspr. (vgl. etwa Römermann in: Hartung/Römermann/Schons, RVG, § 15 Rn 14; LG Landshut, Beschl. v. 23.3.2010 – 2 Qs 326/09, jeweils m.w.Nachw.) zur Ausfüllung des gesetzlich nicht definierten Begriffs der "Angelegenheit" entwickelten Abgrenzungskriterien

  ein Auftrag,
  ein Rahmen der Tätigkeit, also weitgehende Übereinstimmung in Inhalt und Zielsetzung,
  innerer Zusammenhang zwischen den einzelnen Handlungen und/oder Gegenständen der anwaltlichen Tätigkeit,

handelt es sich hier um ein und denselben gebührenrechtlichen Fall. Dafür sprechen folgende Erwägungen:

Die Rücknahme der Anklageschrift vom 10.3.2011 führte nicht zum endgültigen Abschluss des ersten Rechtszuges, sondern war unmittelbar verbunden mit der Erhebung der neuen Anklageschrift vom 15.9.2011. Dieser lagen dieselben Vorwürfe zugrunde, die auch bereits Gegenstand der Anklage vom 10.3.2011 waren; die einzige inhaltliche Änderung bestand darin, dass die Staatsanwaltschaft dem gerichtlichen Hinweis folgend die Vielzahl ursprünglich angeklagter Einzeltaten mit Rücksicht auf den zwischen den Angeschuldigten und der Krankenkasse üblichen Abrechnungsmodus nunmehr nach Monatszeiträumen zusammengefasst und jeweils einen monatlichen Abrechnungsvorgang als eine Tat behandelt hatte.

Die von der Kammer beanstandeten strukturellen Mängel der ursprünglichen Anklageschrift waren deshalb auch nicht als so gravierend zu bewerten, dass diese allein zur Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens hätten führen können; die Strafkammer hätte vielmehr – sofern hiergegen nicht auch noch aus anderen Gründen Bedenken bestanden hätten, die der Kammer Anlass zu weiteren Aufklärungsmaßnahmen im Zwischenverfahren gaben – die Anklage v. 10.3.2011 nach Maßgabe ihrer abweichenden konkurrenzrechtlichen Bewertung zur Hauptverhandlung zulassen können, anstatt auf deren Rücknahme und Einreichung einer neuen, der Rechtsauffassung der Kammer angepassten Anklageschrift hinzuwirken. Dass die Kammer sich zur eigenen Arbeitsersparnis zu letzterer Vorgehensweise entschlossen hat, kann nicht zu einer abweichenden gebührenrechtlichen Behandlung der Angelegenheit führen.

Hinzukommt, dass es einer Neufassung der Anklageschrift letztlich auch gar nicht bedurft hätte, weil dieselben Erwägungen, mit denen die Kammer nach Abschluss ihrer ergänzenden Ermittlungen die Zulassung der Anklage vom 15.9.2011 abgelehnt hat, ebenso für die ursprüngliche Anklageschrift vom 10.3.2011 gegolten hätten.

Die vorgenannten Umstände lassen erkennen, dass die vom Verteidiger Rechtsanwalt S. entfalteten Tätigkeiten sämtlich in einem sehr engen inhaltlichen Zusammenhang standen und dem einheitlichen Ziel dienten, den Angeschuldigten Dr. R. gegen den von der Staatsanwaltschaft Düsseldorf im Verfahren 60 Js 1027/07 erhobenen Vorwurf, er habe sich im Zusammenhang mit der Abrechnung ärztlicher Medikamenten-Verordnungen gegenüber der AOK Rheinland/Hamburg im Zeitraum Mai 2006 bis Ende Juli 2007 in einer Mehrzahl von Fällen des Betruges schuldig gemacht, zu verteidigen. Eine Bewertung der Verfahren 17 KLs 9/11 und 17 KLs 17/11 als verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten kommt nach alledem nicht in Betracht.

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