Das AG hat im Rahmen der nach § 63 Abs. 2 S. 1 GKG zu treffenden Streitwertentscheidung zu Unrecht den Streitwert für das Verfahren auf 3.945,74 EUR festgesetzt.

Die Beschwerdeführerin beruft sich zutreffend auf die Anwendbarkeit des § 3 ZPO. Dieser ist i.V.m. § 48 Abs. 1 GKG maßgeblich zur Berechnung des Gebührenstreitwertes. Soweit das AG seine Gebührenstreitwertentscheidung hinsichtlich des Klageantrags zu 3) auf § 9 ZPO gestützt hat, kann ihm nicht gefolgt werden. Bereits der Wortlaut des § 9 S. 2 ZPO steht einer Anwendung im vorliegenden Fall entgegen. Denn auch wenn das AG auf Erfahrungswerte zurückgreift, die besagen, dass mit einer Räumung innerhalb von sechs Monaten ab Klageeinreichung sicher zu rechnen sei, so handelt es sich nicht um eine "bestimmte" Dauer i.S.d. § 9 S. 2 ZPO, sondern lediglich um eine prognostizierte. Gegenstand der Streitwertfestsetzung war hier zudem die Verurteilung zur Leistung von Nutzungsentschädigung für den Zeitraum zwischen der Beendigung des Mietverhältnisses und der Räumung. Es handelt sich dabei nicht um klassischerweise dauerhaft wiederkehrende Nutzungen, die aber § 9 ZPO erfasst, sondern um nur vorübergehend wiederkehrende Nutzungen, weil die Räumung absehbar bevorsteht. § 9 ZPO ist jedoch nicht anwendbar, wenn es sich um nur vorübergehend wiederkehrende Nutzungen handelt. Vielmehr ist in diesem Fall auf § 3 ZPO zurückzugreifen (Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 9 Rn 3). Der BGH hat demgemäß entschieden, dass § 9 ZPO bei Mietstreitigkeiten Anwendung findet, wenn die Laufzeit über die Zeitgrenze des § 9 ZPO hinausgeht (BGH, Beschl. v. 20.4.2005 – XII ZR 248/04, ZMR 2005, 535). Wenn mit der Räumung in kürzerer Zeit sicher zu rechnen ist, ist es daher kein Widerspruch § 3 ZPO anzuwenden, wie es das KG mit Beschl. v. 22.12.2005 (12 W 46/05, ZMR 2006, 207) getan hat. Dieser Ansicht schließt sich die Kammer an. Denn zu berücksichtigen sind die Grundsätze, die von den Vereinigten Zivilsenaten des RG in RGZ 24, 373, 377 zum Sinn und Zweck sowie zur Anwendung des § 9 ZPO entwickelt wurden (bestätigt in RGZ 37, 383 und BGHZ 36, 144). Hiernach betrifft § 9 ZPO nur solche Rechte, die ihrer Natur nach und erfahrungsgemäß eine Dauer von wenigstens 42 Monaten haben, oder – mit Rücksicht auf den Grad der Unbestimmtheit des Zeitpunktes, wann das den Wegfall des Rechts begründende Ereignis eintritt – die jedenfalls eine solche Dauer haben können (BGH a.a.O.; KG a.a.O.). Es steht aber außer Zweifel, dass in einfach gelagerten Räumungsrechtsstreiten wie dem Vorliegenden zwischen der Einreichung der Klage und der Räumung der Mieträume in aller Regel ein Zeitraum von weniger als 42 Monaten liegt.

Für die Ermessensentscheidung nach § 3 ZPO kann auf die vom AG der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten Überlegungen zur voraussichtlichen Räumungsdauer zurückgegriffen werden. Die Zugrundelegung des sechsfachen Betrags wegen zu erwartender sechs Monate Dauer bis zur Räumung begegnet aufgrund der Umstände des hiesigen Einzelfalls keinen Bedenken. Soweit grundsätzlich vom zwölffachen Monatsbetrag auszugehen ist (vgl. KG ZMR 2006, 207), kann diese Formel nur allgemein, nicht aber konkret für den Einzelfall Geltung beanspruchen (so auch im Ergebnis auf sechs Monate abstellend: LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 25.8.2005 – 7 T 8177/05, WuM 2005, 664).

Die Kammer ist jedoch der Ansicht, dass für den Fall der Nutzungsentschädigung nicht lediglich die Nettokaltmiete zugrunde zu legen ist, sondern auch die Nebenkosten. Zum einen weist bereits die Tatsache, dass das AG auf den Klageantrag zu 3) auch tatsächlich zur Zahlung von Nettokaltmiete zuzüglich Nebenkosten verurteilt hat, darauf hin, dass der Nutzungsersatz tatsächlich auch letztere umfasst. Zum anderen ist die Notwendigkeit einer Anpassung an den Wert, der dem Klageantrag zu 1) zugrunde gelegt wurde, nicht ersichtlich. Der Klageantrag zu 1) – und entsprechend die Verurteilung durch das AG – beinhaltet die Räumung und Herausgabe der gemieteten Wohnräume. Der Streitwert hierfür bestimmt sich nach § 41 Abs. 1 GKG. § 41 GKG findet auf den Klageantrag zu 3) jedoch keine Anwendung, weil es sich nicht um ein "ähnliches Nutzungsverhältnis" handelt. Die Zeit zwischen Vertragsbeendigung und Räumung stellt gerade keinen Zustand dar, der einer "vertraglichen Vereinbarung miet- oder pachtähnlichen Charakters" unterliegt (vgl. dazu Meyer, Gerichtskosten der streitigen Gerichtsbarkeiten und des Familienverfahrens, 12. Aufl., § 41 Rn 4). Mangels vertraglicher Grundlage (die für den streitgegenständlichen Zeitraum auch nicht behauptet wird, mithin nicht im Streit steht) ist der rein tatsächliche Nutzungsbegriff des § 100 BGB der Wertberechnung nach § 3 ZPO zugrunde zu legen. Maßgebend für die Bewertung der Gebrauchsvorteile ist deren objektiver Wert, also der Wert, den der Gebrauchsvorteil allgemein für Nutzende der betreffenden Art hat. Bei der Eigennutzung einer Sache lässt er sich nach den Aufwendungen ermitteln, die der Nutzende infolge des Gebrauchs erspart hat (MüKo/...

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