Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe (§ 113 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 2, 3 ZPO) für ihren Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens (§ 113 FamFG i.V.m. §§ 485 ff. ZPO) ist begründet. Denn der Antrag auf Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens hat – abweichend von der Ansicht des FamG – hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 113 FamFG i.V.m. § 114 ZPO), weil die Antragstellerin ein "rechtliches Interesse" an der Durchführung des Beweisverfahrens hat:

Die Parteien, die als Ehegatten seit dem 20.7.2010 getrennt leben und zwischen denen bereits ein Trennungsunterhaltsverfahren schwebt, streiten über den Wert eines in ihrem jeweils hälftigen Miteigentum stehenden Hausgrundstücks. Die Antragstellerin schätzt den Wert auf 153.000,00 EUR, der Antragsgegner auf 73.000,00 EUR. Das Ehescheidungsverfahren ist noch nicht anhängig, zumal das erste Trennungsjahr noch nicht abgelaufen ist.

Ist ein Rechtsstreit noch nicht anhängig, kann eine Partei ein selbstständiges Beweisverfahren anhängig machen, wenn sie ein "rechtliches Interesse" daran hat, dass der Wert einer Sache festgestellt wird. Ein rechtliches Interesse "ist" anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen "kann" (§ 485 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 u. S. 2 ZPO).

Insofern weist die Antragstellerin zutreffend auf die Möglichkeit hin, vor Anhängigkeit des Ehescheidungsprozesses die Folgesache Zugewinnausgleich zu vermeiden. So sei – nach entsprechender Wertfeststellung – nicht auszuschließen, dass man sich schon vor der Anhängigkeit des Ehescheidungsverfahrens darauf verständige, dass einer der Ehegatten die Immobilie gegen Zahlung einer entsprechenden Abfindung übernehme.

Wie aus § 485 Abs. 2 S. 2 ZPO hervorgeht, "ist" in einem solchen Fall ein "rechtliches Interesse" anzunehmen. Denn die Feststellung des Wertes "kann" der Vermeidung eines gerichtlichen Zugewinnausgleichsverfahrens dienen. Insoweit genügt eine Schlichtungsmöglichkeit im weitesten Sinne; auch entfernte Schlichtungsmöglichkeiten berechtigen nicht dazu, das "rechtliche Interesse" zu verneinen. Der Hauptsacheprozess muss nicht mit Sicherheit zu erwarten oder angedroht sein; schon die aus der Rechtslage herzuleitende Möglichkeit eines solchen Prozesses genügt. Auf die Möglichkeit, ein Privatgutachten einzuholen, darf der Antragsteller nicht verwiesen werden (vgl. zum Ganzen Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., unter Bezugnahme auf OLG Koblenz FamRZ 2009, 804 f., sowie auf OLG Köln FamRZ 2010, 1685 f.). Das selbstständige Beweisverfahren "kann" selbst dann ein gerichtliches Verfahren vermeiden, wenn die in diesem Verfahren festzustellenden Tatsachen keine ausreichende Grundlage für materiell-rechtliche Ansprüche (vgl. hier etwa § 1384 BGB) geben; denn auf die Erheblichkeit der Beweisfragen oder die Erfolgsaussichten im späteren Prozess kommt es nicht an (Musielak/Huber, ZPO, 7. Aufl., § 485 Rn 13 m. w. Nachw.).

Das FamG wird daher die Kostenarmut der Antragstellerin zu prüfen haben.

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