RVG VV Nr. 1000

Leitsatz

Erklärt der Kläger die Rücknahme der Klage unter Verzicht auf den Anspruch, so fällt keine Einigungsgebühr an.

OLG Köln, Beschl. v. 2.9.2011 – 17 W 170/11

1 Sachverhalt

Der Antragsteller war für die Antragsgegnerin in zwei Instanzen anwaltlich mit Erfolg tätig. Nachdem das LG die Klage zugesprochen hatte, legte die Beklagte Berufung ein. Das OLG wies allerdings darauf hin, dass die Berufung voraussichtlich Erfolg haben würde. Daraufhin erklärte der Kläger die Rücknahme der Klage. Die Beklagte verweigerte hierzu ihre Zustimmung. Auf telefonischen Hinweis des Senates erklärte der Kläger, er nehme die Klage unter Verzicht auf den Klageanspruch zurück. Mithin erließ das OLG einen Kostenbeschluss zugunsten der Beklagten.

Nunmehr beantragt der Antragsteller Kostenfestsetzung gegen die von ihm ehemals vertretene Partei. Zur Festsetzung angemeldet hat er u.a. eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV. Er ist der Ansicht, die Einigungsgebühr sei materiell-rechtlich angefallen, da die Zustimmung zur Klagerücknahme nur unter gleichzeitiger Annahme eines Verzichts auf den Klageanspruch erklärt worden sei. Es handele sich damit um keine bloße einseitige Prozesshandlung.

Der Rechtspfleger hat die Festsetzung insoweit mit der Begründung abgelehnt, eine Klagerücknahme löse nie eine Einigungsgebühr aus, da es am gegenseitigen Nachgeben fehle. Daran ändere sich auch dann nichts, wenn die Klagerücknahme mit einem Verzicht und einer Einwilligung der Gegenseite hierzu verbunden werde.

Dem Rechtsmittel des Antragstellers hat der Rechtspfleger nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

2 Aus den Gründen

Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache selbst keinerlei Erfolg.

Allerdings nur im Ergebnis zu Recht hat der Rechtspfleger die begehrte Festsetzung abgelehnt.

1. a) In einem dem vorliegenden vergleichbaren Fall hat das OLG Düsseldorf (Beschl. v. 22.8.2005 – I-1 W 38/05, AGS 2005, 494 mit zust. Anm. Schneider = RVGreport 2005, 469 mit zust. Anm. Hansens) wie folgt ausgeführt:

"Gem. Nr. 1000 VV entsteht die Einigungsgebühr für die Mitwirkung am Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Dieser Gebührentatbestand ist hier nicht erfüllt."

Nachdem der Kläger nach der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz die Klagerücknahme erklärt hatte, bedurfte diese Erklärung, um die Rechtsfolgen des § 269 Abs. 3 ZPO auszulösen, der Einwilligung der Beklagten (§ 269 Abs. 1 ZPO). Diese Einwilligung hat die Beklagte unter der i.S.d. § 158 Abs. 1 BGB aufschiebenden Bedingung der Bekanntgabe eines Klageverzichts durch den Kläger erklärt. Die aufschiebende Bedingung ist mit dem Zugang des klägerischen Schriftsatzes eingetreten, der sich über “einen Klageverzicht in prozessualer Hinsicht’ verhält.

Fraglich ist schon, ob die wechselseitigen Prozesserklärungen der Parteien als auf den Abschluss eines Vertrages i.S.d. Nr. 1000 VV gerichtet qualifiziert werden können.

Selbst wenn dies der Fall wäre, beschränkte sich die Vereinbarung jedenfalls in Form eines Prozessvertrages auf einen Verzicht, nämlich auf den seitens der Beklagten zuvor verlangten Klageverzicht. Bei dieser Sachlage ist zweifelsfrei der gesetzliche Ausschlussgrund für den Anfall der streitigen Einigungsgebühr gegeben.“

b) Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an (ebenso: Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, u.a., RVG, 19. Aufl., Nr. 1000 VV Rn 43; N. Schneider, in: Schneider/Wolf, RVG, 5. Aufl., Nr. 1000 VV Rn 93). Soweit der Antragsteller auf die Kommentierung bei Hartmann (KostG, 41. Aufl., Nr. 1000 VV Rn 32) verweist, wo es heißt, zur Erfüllung des Gebührentatbestandes könne eine Klagerücknahme mit einem Verzicht auf den Anspruch unter einer Übernahme der Kosten nebst einer Zustimmung des Gegners zur Rücknahme ausreichen, da darin mehr als ein bloßer Anspruchsverzicht i.S.v. Anm. Abs. 1 S. 1 zu Nr. 1000 VV zu sehen sei, vermag der Senat dem angesichts der überzeugenden Ausführungen des OLG Düsseldorf, die allgemeine Zustimmung gefunden haben, nicht folgen.

2. Der Vollständigkeit halber ist allerdings darauf hinzuweisen, dass der Rechtspfleger einem Rechtsirrtum unterliegt, soweit er die Festsetzung schon daran scheitern lässt, dass es an einem gegenseitigen Nachgeben der Parteien fehle. Im Gegensatz zur alten Rechtslage, § 23 BRAGO (Vergleichsgebühr), ist für das Entstehen einer Einigungsgebühr nach Nrn. 1000 ff. VV ein gegenseitiges Nachgeben zur Erfüllung des Gebührentatbestandes nicht mehr erforderlich (anstatt aller: Müller-Rabe, a.a.O., Rn 5). Dies ist seit nunmehr über sieben Jahren, nämlich seit Einführung des RVG geltendes Recht und sollte deshalb inzwischen allgemein bekannt sein.

Mitgeteilt vom 17. Senat des OLG Köln

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