Bislang unzureichend geregelt war der Fall der Rücknahme einer Privatklage. Nur der Fall der Rücknahme einer Privatklage nach Eröffnung des Hauptverfahrens war erfasst. Die Rücknahme hat nämlich in diesem Fall eine Einstellung des Verfahrens zur Folge und führt damit unmittelbar zur Anwendung der Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 4141 VV. Das gilt sowohl für den Verteidiger als auch für den Vertreter des Privatklägers, da für ihn Nr. 4141 VV entsprechend gilt (Vorbem. 4 Abs. 1 VV).[31]

Wird die Rücknahme vor Eröffnung des Hauptverfahrens erklärt, erfolgt keine Einstellung, sondern eine Zurückweisung der Klage (§ 383 StPO), so dass in diesem Fall Nr. 4141 VV dem Wortlaut nach nicht greifen würde. Dennoch wurde auch hier eine analoge Anwendung befürwortet.[32]

Der Fall der Rücknahme der Privatklage wird jetzt in Anm. Abs. 1 S. 2 zu Nr. 4141 VV aufgenommen. Es wird klargestellt, dass die Rücknahme einer Privatklage der Rücknahme eines Einspruchs, einer Berufung oder einer Revision gleichgestellt wird. Allerdings soll dies dem Wortlaut nach nur für den Beistand oder Vertreter eines Privatklägers entsprechend gelten. Dies ist nicht einzusehen und widerspricht der bereits zum bisherigen Recht vertretenen Auffassung in der Kommentarliteratur.[33] Danach erhält auch der Verteidiger der Privatbeklagten die zusätzliche Gebühr, wenn er an der Rücknahme mitgewirkt hat.

 

Beispiel 7: Rücknahme einer Privatklage (Abrechnung Privatklagevertreter)

Der Anwalt erhebt für den Mandanten eine Privatklage wegen Beleidigung. Nachdem der Angeklagte sich entschuldigt und das vom Mandanten geforderte Schmerzensgeld gezahlt hat, nimmt der Anwalt die Privatklage zurück.

Der Anwalt des Privatklägers erhält jetzt auch eine zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 2 zu Nr. 4141 VV.

Ausgehend von den neuen Gebührenbeträgen ist wie folgt zu rechnen:

 
1. Grundgebühr, Nr. 4100 VV   200,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV   165,00 EUR
3. Zusätzliche Gebühr,    
  Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 2    
  zu Nr. 4141, Nr. 4106 VV   165,00 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 550,00 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   104,50 EUR
Gesamt   654,50 EUR

Nach dem Wortlaut soll die zusätzliche Gebühr nur für den Beistand oder Vertreter des Privatklägers entsprechend gelten, nicht auch für den Verteidiger. Das erscheint jedoch nicht angemessen. Wirkt der Verteidiger daran mit, dass der Privatkläger seine Klage zurücknimmt, dann wirkt er ebenso wie in den anderen Fällen der Anm. zu Nr. 4141 VV daran mit, dass eine Hauptverhandlung entbehrlich wird. Die Rücknahme der Privatklage ist der mit Einstellung verbundenen Rücknahme der Anklage oder des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls im Falle eines Offizialverfahrens vergleichbar. Daher muss auch für den Verteidiger eine zusätzliche Gebühr – zumindest in analoger Anwendung der Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 zu Nr. 4141 VV – entstehen.

 

Beispiel 8: Rücknahme einer Privatklage (Abrechnung Verteidiger)

Der Anwalt wird mit der Verteidigung in einer Privatklage wegen Beleidigung beauftragt. Er überzeugt den Angeklagten, sich beim Privatkläger zu entschuldigen, worauf dieser anschließend die Privatklage zurücknimmt.

Der Verteidiger erhält jetzt auch eine zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 2 zu Nr. 4141 VV.

Ausgehend von den neuen Gebührenbeträgen ist wie folgt zu rechnen:

 
1. Grundgebühr, Nr. 4100 VV   200,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV   165,00 EUR
3. Zusätzliche Gebühr Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 3,    
  S. 2 zu Nr. 4141, Nr. 4106 VV   165,00 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 550,00 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   104,50 EUR
Gesamt   654,50 EUR

Bei Abschluss einer Einigung im Privatklageverfahren fällt dagegen keine zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV an (s.o.). Dies betrifft den Fall der Rücknahme einer Privatklage nach Eröffnung des Hauptverfahrens, da hier infolge der dann zwingenden Einstellung des Verfahrens auch der Gebührentatbestand der Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 4141 VV erfüllt ist. Ein Nebeneinander der Gebühren nach Nr. 4141 VV und 4147 VV soll jedoch ausgeschlossen sein. Es entsteht nur die Einigungsgebühr nach Nr. 4147 VV.

[30] Änderung durch Art. 8 Abs. 2 Nr. 102 Buchst. a) bb).
[31] Anders die Begründung zu Art. 8 Abs. 2 Nr. 102 Buchst. a) bb), die davon ausgeht, der Privatklagevertreter könne diese Gebühr nicht verdienen.
[32] AnwK-RVG/N. Schneider, Nr. 4141 Rn 125 ff.; Burhoff, Nr. 4141 Rn 47.
[33] AnwK-RVG/N. Schneider, Nr. 4141 Rn 125 ff.; Burhoff, Nr. 4141 Rn 47.

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