Gem. Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 4141 VV entsteht die zusätzliche Gebühr dann, wenn sich das gerichtliche Verfahren durch Rücknahme der Berufung erledigt. Einzige Voraussetzung für das Entstehen der zusätzlichen Gebühr sind zum einen die Zwei-Wochen-Frist im Falle eines anberaumten Hauptverhandlungstermins i.S.d. Anm. Abs. 1 Nr. 3, 2. Abs. zu Nr. 4141 VV und zum anderen Kausalität bei der Erledigung gem. Anm. Abs. 2 zu Nr. 4141 VV. Vorliegend hat sich das Berufungsverfahren durch Rücknahme der Berufung durch den Rechtsanwalt erledigt. Da noch kein Berufungsverhandlungstermin anberaumt wurde, sind keine Fristen zu beachten gewesen.

Soweit eingewendet wurde, dass sich die Verfahrensakten noch beim AG befunden haben und deswegen die Gebühr nicht entstanden sei, kann diesem Einwand nicht gefolgt werden. Ausweislich des Wortlauts der Anm. Abs. 1 Nr. 3 zu Nr. 4141 VV ist die Anhängigkeit des Berufungsverfahrens nicht Tatbestandsvoraussetzung.

Auch ist ein solches Erfordernis dem Sinn und Zweck der Regelung nicht zu entnehmen. Diese Befriedungsgebühr soll den Rechtsanwalt, der durch seine Mitwirkung eine zeitaufwendige Vorbereitung und Durchführung einer Hauptverhandlung entbehrlich werden lässt, belohnen und gleichzeitig den Verlust einer Terminsgebühr ausgleichen, der eintritt, wenn in der jeweiligen Instanz keine Hauptverhandlung stattfindet (vgl. auch RVG, Hartung/Schons/Enders, 2. Aufl., 2013, Nr. 4141 Rn 1).

Das hat der Rechtsanwalt auch gemacht. Das LG musste sich nicht mehr mit der Sache befassen, was zwingend der Fall gewesen wäre, wenn der Rechtsanwalt die Berufung nicht zurückgenommen hätte. Dabei kann es nicht darauf ankommen, wo sich die Akten befinden. Das liegt nicht in der Sphäre des Rechtsanwalts und es kann ihm nicht zugemutet werden, dass er sich zunächst danach erkundigt. Die Aktenbearbeitung erfolgt unterschiedlich und es kann nicht vom Zufall abhängen, ob eine solche Gebühr anfällt. Zudem hat das AG nach Urteilserlass kein außerhalb des § 319 StPO normiertes Ermessen, was mit der Akte nach einer Berufungseinlegung erfolgt, so dass die Akte zwingend dem Berufungsgericht vorgelegt wird.

Auch die Regelung des § 319 StPO ändert an dieser Ansicht nichts. Das Gericht hat hier die Akten bereits am 22.6.2015 auf den Weg zum LG "bringen" wollen. Also vor Rücknahme der Berufung. Diese Verfügung wurde jedoch nicht umgehend ausgeführt, weil die Kostenbeamtin die inzwischen eingegangenen Kostenerstattungsanträge vorgezogen haben.

Allein das zeigt schon, dass der Ort der Akten bei Eingang der Berufungsrücknahme nicht entscheidend sein kann.

Die historische Auslegung dieser Regelung bestätigt diese Auslegung. In Nr. 4141 VV hat das RVG im Wesentlichen die Regelungen des früheren § 84 Abs. 2 BRAGO übernommen. Die zu § 84 Abs. 2 BRAGO bestehenden Streitfragen waren durch das 2. KostRMoG im Wesentlichen gelöst. Die Gebühr fällt jetzt sogar an, wenn das Verfahren eingestellt wird; Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 4141 VV. Auch wird bei der Voraussetzung der Förderung des Verfahrens durch den Rechtsanwalt gem. Anm. Abs. 2 zu Nr. 4141 VV eine Mitwirkung gesetzlich vermutet, d.h., dass die Darlegungs- und Beweislast den Mandanten oder der Landeskasse obliegt. All das zeigt, dass an die Regelung keine strengen Voraussetzungen zu stellen sind. Das Gericht lässt die Beschwerde gegen diese Entscheidung wegen der grundsätzlichen Bedeutung gem. § 56 Abs. 2, § 33 Abs. 3 RVG zu.

AGS 2/2016, S. 76 - 77

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