Leitsatz

  1. Erstreckt sich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes auch auf einen Vergleich über ein noch nicht rechtshängiges Vor- und Widerspruchsverfahren, so steht dem beigeordneten Anwalt hinsichtlich des Mehrvergleichs nur die Festsetzung einer Einigungsgebühr, nicht aber einer Verfahrens- und/oder Terminsgebühr zu.
  2. Soweit die durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommene Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung nicht durch Beschwerde oder Anschlussbeschwerde Gegenstand des Beschwerdeverfahrens geworden ist, erfolgt eine Änderung der Festsetzung zum Nachteil des Beschwerdeführers im Beschwerdeverfahren nicht.
  3. Eine Änderung der Vergütung von Amts wegen und damit eine Erweiterung des Streitgegenstands im Beschwerdeverfahren über den Antrag hinaus auf den nicht angegriffenen, begünstigenden Teil der Gebührenfestsetzung und somit eine Verböserung (reformatio in peius) der angefochtenen Entscheidung, wie sie nach § 63 Abs. 3 GKG 2004 für die Streitwertfestsetzung möglich ist, ist weder in § 56 Abs. 2 RVG noch in § 33 RVG für das Beschwerdeverfahren vorgesehen (entgegen OLG Hamburg, Beschl. v. 2.8.2010 – 2 Ws 95/10).

Hamburgisches OVG, Beschl. v. 8.3.2013 – 3 So 126/12

1 Sachverhalt

Der Antragsteller begehrt als beigeordneter Rechtsanwalt die Festsetzung einer höheren aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung.

Die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens, eine Studentin mit dem Ziel Diplom, wurde von der Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens mit Bescheid vom 12.5.2011 exmatrikuliert. Den dagegen eingelegten Widerspruch sah die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens als verspätet an. Im Sommersemester 2011 war die Antragstellerin erkrankt. Für das Wintersemester 2011/2012 beantragte sie die Immatrikulation für den Diplomstudiengang, hilfsweise für den Bachelorstudiengang im 4. Fachsemester. Den ebenfalls darauf gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung lehnte das VG ab. Für das Beschwerdeverfahren bewilligte ihr das OVG Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten und Antragstellers des vorliegenden Verfahrens. Für einen in Aussicht genommen Vergleich wurde die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Antragstellers "dahin erweitert, dass sie auch den von den Beteiligten beabsichtigten Mehrvergleich (die Exmatrikulation der Antragstellerin im Sommersemester 2011 und deren rechtliche und tatsächliche Folgen betreffend) umfasst". Mit dem außergerichtlich geschlossenen Vergleich räumte die Antragsgegnerin der Antragstellerin die Möglichkeit der Immatrikulation für das Studium in dem Diplomstudiengang sowohl für das Sommersemester 2011 als auch das Wintersemester 2011/2012 ein. Die Antragstellerin verpflichtete sich zur Rücknahme der eingelegten Rechtsmittel. Darüber hinaus wurden die Kostentragung und ein gegenseitiger Verzicht auf weitergehende Ansprüche geregelt. Mit dem Einstellungsbeschluss setzte das OVG den Streitwert für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,00 EUR fest. Der Wert der anwaltlichen Tätigkeit für den geschlossenen Mehrvergleich wurde mit 1.250,00 EUR bemessen. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des VG setzte die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung bereits vorher auf 769,63 EUR fest. Dabei legte er als Wert des Mehrvergleiches 5.000,00 EUR zugrunde und berücksichtigte den Mehrvergleichswert bei der Festsetzung der Beschwerdegebühr, der Terminsgebühr und auch der Vergleichsgebühr.

Mit der dagegen eingelegten Erinnerung hat der Beschwerdeführer nicht nur geltend gemacht, dass nach seiner Meinung der Wert des Mehrvergleiches 10.000,00 EUR betrage, sondern auch, dass nicht nur 0,5, sondern 0,8-Beschwerdegebühr und nicht 0,5, sondern 1,2-Terminsgebühr hätten festgesetzt werden müssen.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen, das VG hat sie zurückgewiesen. Die Beschwerde- und Terminsgebühr seien, weil im Beschwerdeverfahren angefallen, zutreffend mit jeweils 0,5 berechnet worden. Für den Streit- und Gegenstandswert seien allerdings die Festsetzungen des OVG zugrunde zu legen, so dass eine Zusammenrechnung mit dem Wert des Mehrvergleiches lediglich einen Gegenstandswert von 5.000,00 EUR ergebe.

Mit der Beschwerde wiederholt der Antragsteller sein Vorbringen.

2 Aus den Gründen

Nachdem ihm das Verfahren gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 8 S. 2 RVG übertragen worden ist, entscheidet der Senat über die Beschwerde. Sie hat keinen Erfolg.

1. Die Beschwerde ist gem. §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 RVG zulässig. Der Antragsteller macht geltend, ihm stehe aus der Staatskasse eine Vergütung in Höhe von 1.131,99 EUR zu, während ihm "nunmehr nur 713,11 EUR zustehen" sollten. Auch wenn der geltend gemachte Vergütungsanspruch erklärtermaßen auf einer, nach der gerichtlichen Festsetzung des Gegenstandswertes auf 1.250,00 EUR für den Mehrvergleich, unzutreffenden Annahme beruht, bei der Festsetzung seiner Vergütung aus der Staatskasse könne davon abweichend ein Gegenstandswert von 10.000,00 EUR zugrunde gelegt werden,...

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