ZPO §§ 91a Abs. 1 S. 1, 92 Abs. 1 S. 2, 98 S. 1

Leitsatz

§ 98 ZPO kommt zur Anwendung, wenn die Parteien über die Kostentragung nichts vereinbart haben. Anders ist es, wenn sie sich ausdrücklich nur über die Hauptsache verglichen haben und die Kostenentscheidung durch das Gericht erbitten. In diesem Fall tritt durch den Vergleich über die Hauptsache eine Erledigung der Hauptsache ein und das Gericht entscheidet aufgrund der ausdrücklichen oder konkludenten Willenserklärung der Parteien über die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91a ZPO. Gleiches muss gelten, wenn die Parteien die Hauptsache verglichen und offensichtlich die Kostentragungsregelung vergessen haben.

OLG Naumburg, Beschl. v. 16.4.2013 – 10 W 8/13

1 Sachverhalt

Mit der Anspruchsbegründung begehrte die Klägerin nach Mahnverfahren und Widerspruch die Zahlung von 33.371,33 EUR nebst Zinsen. Die Beklagte leistete auf die Rechnungen für die drei streitgegenständlichen Lieferungen lediglich kleinere Teilbeträge, sodass im Ergebnis die Klageforderung offen blieb. Die Beklagte zeigte zwar Verteidigungsbereitschaft an, brachte aber gegen die Klageforderung keine Einwendungen vor.

Im Termin der mündlichen Verhandlung wurde ohne Stellung von Anträgen ein Vergleich wie folgt protokolliert:

"Die Parteien erklären, nachfolgenden Vergleich schließen zu wollen:"

1. Die Beklagte erkennt die Klageforderung an.

2. Der Beklagten wird nachgelassen, die Klageforderung einschließlich der noch festzusetzenden Kosten in monatlichen Raten à 3.000,00 EUR, beginnend ab dem 31.12.2012 jeweils zum Monatsletzten zu zahlen.

3. Sollte die Beklagte mit einer Rate länger als zwei Wochen in Verzug geraten, wird der gesamte noch offene Betrag zur Rückzahlung fällig.“

Der Vergleich wurde vorgespielt und genehmigt.

Im Kostenfestsetzungsverfahren fiel auf, dass eine Kostenentscheidung fehlte. Die Einzelrichterin verfügte daraufhin ein Anschreiben an beide Parteivertreter mit folgendem Wortlaut: "In dem in der mündlichen Verhandlung geschlossenen Vergleich ist die Kostenentscheidung versehentlich unterblieben. Sie könnte entsprechend dem anliegenden Beschlussentwurf nachgeholt werden. Gegebenenfalls wird um schriftsätzliche kurzfristige Zustimmung gebeten." Zugleich wurde ein Beschlussentwurf des LG an die Parteivertreter übermittelt, der im Wege eines schriftlichen Vergleichs gem. § 278 Nr. 6 ZPO eine Kostenregelung als Ergänzung des im Termin geschlossenen Vergleiches vorsah, wonach die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits tragen sollte.

Die Klägerin stimmte dem schriftsätzlich zu. Die Beklagtenvertreterin verweigerte die Zustimmung. Sie erklärte, dass aus ihrer Sicht § 98 ZPO anzuwenden sei. Die Klägerin erklärte daraufhin, dass im Rahmen der vor dem Termin der mündlichen Verhandlung erfolgten Vergleichsgespräche zwischen den Parteivertretern eine eindeutige Regelung zur Kostentragungspflicht getroffen worden sei, wobei die Beklagte die Kosten tragen sollte. In der mündlichen Verhandlung sei versehentlich die Protokollierung unterblieben. Dem trat die Beklagtenvertreterin entgegen und erklärte, zwar seien die Eckpunkte des Vergleiches bereits vor dem Termin abgesprochen worden, es sei aber zu keiner Zeit über eine Vereinbarung gesprochen worden, mit der § 98 ZPO abbedungen werden sollte. Zwar sei bei dem Gespräch vor dem Gerichtssaal vom Klägervertreter mitgeteilt worden, dass dieser die Kosten vollständig bei der Beklagten sehe, die Beklagtenseite habe aber lieber eine Kostenaufhebung gewollt. Der Vergleich sei mit dem protokollierten Inhalt abschließend getroffen worden.

Das LG wies mit Verfügung darauf hin, dass zwar § 98 ZPO zu berücksichtigen sei, das Gericht aber dazu tendiere, eine konkludente anderweitige Kostenregelung anzunehmen, weil grundsätzlich die Kostentragungspflicht bei dem Anerkennenden liege, wie sich aus § 93 ZPO ergebe. Darüber sei durch Beschluss gem. § 91a ZPO zu entscheiden.

Mit Beschluss gem. § 91a ZPO erlegte das LG die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auf. Es sei davon auszugehen gewesen, dass die Parteien ihren Vergleich in Anbetracht der Interessenlage konkludent auf die Hauptsache beschränkt hätten. Es sei von einer Anerkenntnissituation auszugehen, da der Anspruchsbegründung keinerlei materielle Einwendungen entgegengesetzt worden seien. Eine Kostenaufhebung würde bei dieser Sach- und Rechtslage die Klägerseite deutlich benachteiligen.

Dagegen legte die Beklagte sofortige Beschwerde ein. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es sei kein Raum für eine gerichtliche Entscheidung gem. § 91a ZPO gewesen, da bei dem abschließenden Vergleich für die Kosten die Regelung des § 98 ZPO eingegriffen habe.

Das LG half der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem OLG als Beschwerdegericht zur Entscheidung über die Beschwerde vor.

Die sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg.

2 Aus den Gründen

Das LG hat zu Recht über die Kosten des Rechtsstreits durch Beschluss gem. § 91a ZPO entschieden. Obwohl der Vergleich ohne ausdrückliche Kostenregelung getroffen wurde, griff für die Kosten des Rechtsst...

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