Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1, Nr. 3104 VV RVG

Leitsatz

  1. Der Anfall der Terminsgebühr in der Form der Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins erfordert, dass der Rechtsanwalt nach Aufruf der Sache an Gerichtstelle vertretungsbereit anwesend ist.
  2. Wird die mündliche Verhandlung im Einverständnis des Rechtsanwalts aufgrund seiner Erkrankung trotz seiner Abwesenheit durchgeführt, entsteht die Terminsgebühr auch dann nicht, wenn er gegenüber dem Gericht seine telefonische Erreichbarkeit zur Terminsstunde auf allen möglichen Kommunikationskanälen zugesichert hat. Hierdurch wird das erforderliche Tatbestandsmerkmal der körperlichen Anwesenheit des Rechtsanwalts im Verhandlungstermin nicht erfüllt.

OVG Münster, Beschl. v. 13.10.2023 – 1 E 645/23

I. Sachverhalt

In der vor dem VG Arnsberg anhängigen Verwaltungsstreitsache war Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 19.12.2022 anberaumt worden. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers waren sämtlich erkrankungsbedingt gehindert, diesen Termin wahrzunehmen. Sie beantragten deshalb, den Termin zu verlegen. Die Einzelrichterin des VG bat hingegen die Prozessbevollmächtigten des Klägers, im Hinblick auf die Dauer des Verfahrens, den bisherigen Sach- und Streitstand und die Auslastung der Kammer, an dem Terminsverlegungsantrag nicht festzuhalten, eine Entscheidung könne im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergehen. Dieser Bitte kamen die Klägervertreter nach. Der sachbearbeitende Rechtsanwalt sicherte der Einzelrichterin gegenüber telefonisch ferner seine Erreichbarkeit "zur Teminsstunde auf allen möglichen Kommunikationskanälen" zu. Zu dem angesetzten Verhandlungstermin am 19.12.2022 war demzufolge auf Klägerseite kein Prozessbevollmächtigter erschienen.

Im Kostenfestsetzungsverfahren hatte der Kläger – soweit hier von Interesse – auch die Festsetzung einer 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV nebst anteiliger Umsatzsteuer geltend gemacht. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die Festsetzung abgelehnt. Die dagegen vom Kläger erhobene Erinnerung (Antrag auf Entscheidung des Gerichts) hatte beim VG Arnsberg keinen Erfolg. Die dagegen vom Kläger eingelegte Beschwerde hat das OVG Münster zurückgewiesen.

II. Anfall der Terminsgebühr

1. Gesetzliche Regelung

Nach Vorbem. 3 Abs. 3 VV entsteht die Terminsgebühr sowohl für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen als auch für die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen und Besprechungen, wenn nichts anderes bestimmt ist. Vorliegend kam lediglich die erste Fallgestaltung in Betracht. Folglich konnte den Prozessbevollmächtigten der Kläger die geltend gemachte Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV nur dann entstanden sein, wenn die in Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 1. Fall VV aufgeführten gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt waren. Dies war hier nach Auffassung des OVG Münster nicht der Fall.

2. Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins

Nach den Ausführungen des OVG ist es für den Anfall der Terminsgebühr ausreichend, aber auch erforderlich, dass der Rechtsanwalt einen gerichtlichen Termin wahrgenommen hat. Dies erfordere es, dass er in einem solchen Termin vertretungsbereit anwesend gewesen ist (so BGH AGS 2010, 561 m. Anm. Onderka = RVGreport 2010, 427 [Hansens]; BVerwG RVGreport 2010, 186 [Ders.]). Hierfür muss der Anwalt nach den weiteren Ausführungen des OVG Münster an dem Termin teilnehmen und willig sein, im Interesse seines Mandanten das Geschehen im Termin zu verfolgen und – sofern erforderlich – einzugreifen (s. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 26. Aufl., 2023, Vorbem. 3 VV Rn 108).

3. Telefonische Erreichbarkeit genügt nicht

In Anwendung dieser Grundsätze war hier nach Auffassung des OVG Münster für die Prozessbevollmächtigten des Klägers eine Terminsgebühr nicht angefallen. Die Anwälte seien nämlich in dem Termin entgegen den Anforderungen des Gebührentatbestandes schon nicht körperlich anwesend gewesen. Die Zusicherung eines Rechtsanwalts des Klägers, er sei zur Terminsstunde auf allen möglichen Kommunikationskanälen telefonisch erreichbar, genüge demgegenüber nicht. Diese Zusicherung betrifft nach Auffassung des OVG Münster nämlich nur das (in der mündlichen Verhandlung) zu erfüllende Tatbestandsmerkmal der Vertretungsbereitschaft, nicht hingegen das daneben zu erfüllende Tatbestandsmerkmal der körperlichen Anwesenheit des Rechtsanwalts (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., Rn 121).

4. Keine Unbilligkeit

Der Kläger hatte vorgebracht, es sei unbillig, dass die Terminsgebühr "aufgrund einer Bitte des Gerichts, einen Termin auch ohne Anwesenheit" seines Prozessbevollmächtigten "an Gerichtsstelle durchführen zu können" versagt werde, während sie bei einer im Einverständnis der Beteiligten erfolgten Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV angefallen wäre. Dem ist das OVG Münster nicht gefolgt. Wenn nämlich eine mündliche Verhandlung stattfinde, werde nach Nr. 3104 i.V.m. Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV der Aufwand des Rechtsanwalts vergütet, der diesen durch seine aufmerksame Teilnahme an dem Termin und das damit verbundene Mitdenken und ggf. Eingr...

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