§ 3a Abs. 2 RVG a.F. (§ 3 Abs. 3 RVG n. F.); §§ 397, 402, 411 Abs. 4 S. 2 ZPO

Leitsatz

Bei einem nach dem RVG einzuholenden Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer handelt es sich nicht um ein Gutachten i.S.d. ZPO, sodass eine Ladung des Gutachters zur Erläuterung des Gutachtens nicht in Betracht kommt.

LG Düsseldorf, Beschl. v. 21.10.2021 – 20 S 97/20

I. Sachverhalt

In einem Vergütungsprozess hatte das LG als Berufungsgericht ein Gebührengutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer nach § 3a Abs. 2 S. 2 a.F. (§ 3a Abs. 3 S. 2 RVG n.F.) eingeholt. Nachdem das Gutachten vorlag, hat das Gericht dieses den Prozessbevollmächtigten zugestellt und eine Frist zur Stellungnahme gesetzt. Nach Ablauf der Frist beantragte der Kläger, den Vorstand der Rechtsanwaltskammer zum anstehenden Termin zur mündlichen Verhandlung zu laden, damit dort das Gutachten erläutert und ergänzende Fragen beantwortet würden. Das LG hat den Antrag zurückgewiesen.

II. Ladung des Kammervorstands ist nicht möglich

Die Voraussetzungen für eine Ladung nach §§ 397, 402 ZPO lagen nicht vor. Nach diesen Vorschriften kann das Gericht einen Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens laden, wenn dies rechtzeitig von einer Partei beantragt worden ist. Hier konnte dahinstehen, ob der Antrag bereits deshalb zurückzuweisen war, weil er erst nach Ablauf der von der Kammer gem. § 411 Abs. 4 S. 2 ZPO gesetzten Frist zur Stellungnahme auf das Gutachten gestellt worden ist und damit verspätet war. Es besteht jedenfalls kein Anspruch des Klägers auf Ladung der Gutachterin der Rechtsanwaltskammer, weil die Vorschriften des §§ 397, 402 ZPO nicht anwendbar sind. Diese Vorschriften beziehen sich auf Sachverständigengutachten bzw. auf Anträge der Parteien, einen gerichtlich bestellten Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens zu Laden. Gebührengutachten einer Rechtsanwaltskammer, die gem. § 3a Abs. 2 S. 2 RVG a.F. (§ 3a Abs. 3 S. 2 RVG) erstattet werden, stellen aber keine Sachverständigengutachten in diesem Sinne dar (s. Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl., 2017, § 3a Rn 142). Vielmehr sollen die Gebührengutachten einer Rechtsanwaltskammer die Kontrolle der Ausübung des anwaltlichen Billigkeitsermessen durch das Prozessgericht unterstützen und unterliegen als Rechtsgutachten der freien richterlichen Würdigung (BGH, Urt. v. 4.2.2010 – IX ZR 18/09; NJW 2004, 1043).

III. Bedeutung für die Praxis

Kammergutachten ist kein Sachverständigengutachten

Die Entscheidung ist zutreffend. Bei einem Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer, sei es nach § 3a RVG oder § 14 Abs. 3 RVG (§ 14 Abs. 2 RVG a.F.), handelt es sich nicht ein Sachverständigengutachten i.S.d. ZPO, sondern lediglich um eine Informationsquelle, die ein Gericht in einem Vergütungsprozess zwischen Anwalt und Mandant berücksichtigen muss. Ein Gericht ist auch nicht an das Gutachten gebunden. Es muss lediglich die dortigen Ausführungen berücksichtigen. Es kann aber völlig anders entscheiden, auch wenn dies in der Praxis selten vorkommt. Die Vorschriften der ZPO über den Sachverständigenbeweis sind daher nicht anwendbar. Insbesondere ist eine Ladung des Kammervorstands zwecks Erläuterung des Gutachtens nicht zulässig. Auch können keine Ordnungsgelder verhängt werden.

Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen

AGS 12/2021, S. 576

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