ZPO § 114; 688 ff.

Leitsatz

  1. Für das Mahnverfahren (§§ 688 ff. ZPO) kann – beschränkt auf dieses Verfahren – Prozesskostenhilfe bewilligt werden.
  2. Zur Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung (§ 114 Abs. 2 ZPO) bei Beantragung eines Mahnbescheids über einen Hauptsachebetrag von 400.000.000,00 EUR, wenn der Antragsgegner im Rahmen der Anhörung nach § 118 Abs. 1 S. 1 ZPO den Anspruch bestritten und bereits Widerspruch gegen einen etwaigen Mahnbescheid angekündigt hat.

BGH, Beschl. v. 10.8.2017 – III ZA 42/16 

1 Sachverhalt

Der Antragsteller begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung eines Rechtsbeschwerdeverfahrens. Er hat beim AG den Erlass eines Mahnbescheids über einen Betrag von 400.000.000 EUR beantragt, wobei er als Antragsgegner das "Landesamt für Finanzen A." und als Anspruchsgrund "Schadensersatz aus StrEG/aus Zinsen zum StrEG" angegeben hat. Zugleich hat er um Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Kosten des Mahnverfahrens nachgesucht. Das Landesamt, dem dieser Antrag nach § 118 Abs. 1 S. 1 ZPO zur Stellungnahme übersandt worden war, teilte mit, Forderungen des Antragstellers gegen den Freistaat B. bestünden nicht, und bei Erlass eines Mahnbescheids würde umgehend Widerspruch eingelegt werden. Daraufhin hat das AG (Rechtspfleger) den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung zurückgewiesen, das Mahnverfahren biete nicht die nötige Aussicht auf Erfolg. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das LG zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Erfolgsaussicht i.S.d. § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO auch bei Beantragung von Prozesskostenhilfe für ein Mahnverfahren zu prüfen sei. Für ein – wie hier – von vornherein aussichtsloses Mahnverfahren, bei dem von Anfang an mit einem Widerspruch des Antragsgegners zu rechnen und ein Vollstreckungsbescheid deswegen nicht zu erreichen sei, könne der Antragsteller nicht erwarten, das Verfahren auf Kosten der Staatskasse durchführen zu können.

Das LG hat die Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, 2 ZPO zugelassen, da in der Instanzrspr. und der Lit. zur Frage der Zulässigkeit der Prüfung der Erfolgsaussichten im Mahnverfahren sowie zum Umfang die ser Prüfung unterschiedliche Auffassungen vertreten würden.

2 Aus den Gründen

Die für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens beantragte Prozesskostenhilfe ist nicht zu bewilligen, weil das beabsichtigte Rechtsmittel keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 Abs. 1 S. 1 ZPO). Das LG hat die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Prozesskostenhilfe für das Mahnverfahren versagenden Beschluss des AG im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

Dabei kann dahinstehen, ob der beabsichtigten Rechtsverfolgung im Mahnverfahren – wie das LG meint – bereits deshalb die Erfolgsaussicht fehlt, weil mit einem Widerspruch des Antragsgegners gegen einen etwaigen Mahnbescheid zu rechnen ist. Denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung erweist sich als mutwillig i.S.d. § 114 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ZPO.

1. Der sachliche Geltungsbereich der §§ 114 ff ZPO erstreckt sich auf alle in der Zivilprozessordnung geregelten Verfahren. Für das Mahnverfahren kann – beschränkt auf dieses Verfahren – Prozesskostenhilfe bewilligt werden (allg. Meinung; vgl. nur Musielak/Voit/Fischer, ZPO, 14. Aufl., § 114 Rn 8; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 38. Aufl., Vorbem. § 688 Rn 12; Zöller/Geimer, ZPO, 31. Aufl., § 114 Rn 2; jew. m.w.N.). Dabei gilt die Voraussetzung fehlender Mutwilligkeit auch für den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Mahnverfahren (MüKoZPO/Wache, 5. Aufl., § 114 Rn 22).

2. Mutwilligkeit liegt insbesondere vor, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei bei sachgerechter und vernünftiger Einschätzung der Prozesslage ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde (Senat, Beschl. v. 21.11.2013 – III ZA 28/13, BeckRS 2013, 22403 Rn 9; BGH, Beschl. v. 6.7.2010 – VI ZB 31/08, NJW 2010, 3522 Rn 6). Aus der gem. Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtsschutzgleichheit folgt, dass die mittellose Partei nur einer solchen "normalen" Partei gleichgestellt werden muss, die ihre Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt (BVerfG, NJW 1991, 413; NJW 2013, 2013, 2014). Es ist nicht Zweck der Prozesskostenhilfe, auf Kosten der Allgemeinheit bedürftigen Personen Prozesse zu ermöglichen, die eine wirtschaftlich leistungsfähige Partei bei vernünftiger und sachgerechter Einschätzung der Sach- und Rechtslage nicht führen würde (Musielak/Voit/Fischer a.a.O. § 114 Rn 30 m.w.N.).

3. Nach diesen Maßstäben ist die Rechtsverfolgung des Antragstellers mutwillig. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage würde eine verständige Partei, die selbst für die Gerichtskosten aufzukommen hat, davon absehen, einen Mahnbescheid über einen Hauptsachebetrag von 400.000.000,00 EUR gegen den Freistaat B. zu beantragen, auch wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass nach §§ 688 ff. ZPO vorliegen ...

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