Einführung

Die Beschaffung von Waren, Bau- und Dienstleistungen durch öffentliche Auftraggeber erfolgt durch Vergabeverfahren nach §§ 97 ff. GWB. Die Vergabe öffentlicher Aufträge unterliegt wiederum der Nachprüfung durch die Vergabekammern (§§ 102 ff. GWB), gegen deren Entscheidungen schließlich die sofortige Beschwerde stattfindet (§ 116 GWB). Im Folgenden sollen die Anwalts- und Gerichtskosten für diese Verfahren besprochen werden.

I. Gebühren

1. Vergabeverfahren

Es handelt sich um eine außergerichtliche Vertretung, so dass der Anwalt eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV geltend machen kann. Wegen der konkreten Gebührenhöhe siehe unten II. Neben der Gebühr sind die Auslagen nach Nrn. 7000 ff. VV geltend zu machen.

Eine Gebühr nach Nr. 2301 VV wird regelmäßig nicht anfallen, da sie nur entsteht, wenn sich der Auftrag auf ein Schreiben einfacher Art beschränkt. Hierunter würde z.B. die bloße Anforderung der Vergabeunterlagen fallen. Da die Vertretung im Vergabeverfahren aber zumeist über solche Tätigkeiten hinausgeht, z.B. Nachfragen zu den Unterlagen oder der Vortrag von Einwendungen, entsteht wohl regelmäßig eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV.

2. Nachprüfungsverfahren

Auch bei dem Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer handelt es sich um ein außergerichtliches Verfahren. Der Anwalt erhält deshalb auch hier eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV, wobei es unerheblich bleibt, ob er bereits mit der Vertretung im Vergabeverfahren beauftragt war. Die Regelung der Nr. 2301 VV a.F., wonach der Gebührenrahmen geringer ausfällt, wenn bereits eine anwaltliche Tätigkeit im Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist, wurde durch das 2. KostRMoG abgeschafft.[1] Eine anwaltliche Tätigkeit im Vergabeverfahren ist über die Anrechnungsvorschrift der Vorbem. 2.3 Abs. 4 VV zu berücksichtigen; siehe unten III Nr. 1.

Neben der Geschäftsgebühr fallen Auslagen nach Nr. 7000 ff. VV an. Wegen der konkreten Höhe der Geschäftsgebühr siehe unten II).

[1] Art. 8 Abs. 2 Nr. 12 des 2. KostRMoG (BGBl I 2013 S. 2586, 2693).

3. Beschwerdeverfahren

Für die sofortige Beschwerde nach § 116 GWB gelten gem. Vorbem. 3.2.1 Abs. 1 Buchst. e) VV die Nr. 3200 ff. VV (wegen des Gegenstandswerts siehe unten V). Die Anwendung dieser Vorschriften ist auf die sofortige Beschwerde beschränkt, so dass sie nicht gelten für die Verfahren nach §§ 97 ff. GWB (siehe Nr. I, II). Auch gelten die Regelungen nicht für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die sich aus dem GWB ergeben.[2] Für letztere entstehen die üblichen Gebühren nach Nr. 3100 ff. VV, so dass Nr. 3200 ff. VV erst im Berufungs- oder Revisionsverfahren Anwendung finden. Neben den Gebühren können im Beschwerdeverfahren die Auslagen nach Nr. 7000 ff. VV geltend gemacht werden.

[2] AnwK-RVG/Wahlen/Mock/Wolf/N. Schneider/Volpert/Thiel/Schafhausen, Vorbem. 3.2.1 VV Rn 141.

4. Einigungsgebühr

Zusätzlich kann eine Einigungsgebühr entstehen. Da es sich bei dem Vergabeverfahren und dem Nachprüfungsverfahren nicht um gerichtliche Verfahren handelt, gilt Nr. 1000 VV, nicht Nr. 1003 VV. Ist ein Beschwerdeverfahren nach §§ 116 ff. GWB anhängig, entsteht hingegen eine Einigungsgebühr nach Nr. 1004 VV, da es sich um ein in Vorbem. 3.2.1 VV genanntes Verfahren handelt (Anm. Abs. 1 zu Nr. 1004 VV).

5. Mehrere Auftraggeber

Grundsätzlich kann eine Erhöhung der Geschäftsgebühr nach Nr. 1008 VV in Betracht kommen. Ihr tatsächlicher Anwendungsbereich wird jedoch gering sein, da eine Erhöhung ausgeschlossen ist, wenn sich mehrere Auftraggeber zu einer Auftraggebergemeinschaft[3] oder zu einer Bietergemeinschaft[4] zusammenschließen.

[3] OLG Düsseldorf NZBau 2007, 199.
[4] OLG Karlsruhe Rpfleger 2007, 684; AnwK/RVG/Volpert VV 1008 Rn 23 Stichw. "Bietergemeinschaft".

II. Höhe der Geschäftsgebühr

Die Geschäftsgebühr der Nr. 2300 VV entsteht mit einem Gebührenrahmen von 0,5 bis 2,5, so dass die konkrete Höhe nach den Kriterien des § 14 RVG zu bemessen ist. Dabei ist jedoch zu beachten, dass nach der Anm. zu Nr. 2300 VV eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.

Dieser Schwellenwert führt jedoch nicht dazu, dass von zwei verschiedenen Mittelgebühren auszugehen ist. Vielmehr ist bei der Bestimmung der Gebührenhöhe von einer 1,5-Mittelgebühr auszugehen, deren Vorliegen anhand der Kriterien des § 14 RVG zu prüfen ist. Dabei sind wegen § 14 Abs. 1 RVG insbesondere der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie die Bedeutung der Angelegenheit zu berücksichtigen. Ebenso kann nach § 14 Abs. 1 S. 2 RVG auch ein besonderes Haftungsrisiko des Anwalts herangezogen werden. Es sind objektive Maßstäbe anzusetzen, so dass es nicht auf die individuellen Fähigkeiten des Anwalts ankommt, sondern auf die Kenntnisse eines Allgemeinanwalts.[5]

Es ist sodann zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Anm. zu Nr. 2300 VV vorliegen und eine Überschreitung des Schwellenwerts vorgenommen werden kann. Wegen des Wortlauts "oder" genügt es dabei, dass eine Voraussetzung "Schwierigkeit" oder "Umfang" vorliegt.[6] Anhaltspunkte hierfür können dabei etwa der Umfang der Akten der Vergabestelle oder Vergabekammer, eine von der Vergabekammer gewährte Fri...

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