FamGKG §§ 35, 51, 41

Leitsatz

Allein der Umstand, dass im einstweiligen Anordnungsverfahren der "volle" Unterhalt geltend gemacht wird, rechtfertigt es nicht, den Verfahrenswert in der Höhe des Hauptsacheverfahrenswertes nach § 51 FamGKG festzusetzen.

OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.11.2010–11 WF 133/10

Aus den Gründen

Das FamG hat in der angefochtenen Entscheidung den Verfahrenswert für die im Wege einer einstweiligen Anordnung geltend gemachten Ansprüche auf Kindes- und Ehegattenunterhalt gem. § 41 FamGKG auf die Hälfte ermäßigt. Die hiergegen vom Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners erhobene Beschwerde, mit der der volle Wert nach § 51 FamGKG geltend gemacht wird, ist gem. § 59 Abs. 1 FamGKG, § 32 Abs. 2 RVG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

§ 41 FamGKG geht davon aus, dass die Verfahrenswerte im Verfahren der einstweiligen Anordnung regelmäßig wegen ihrer geringeren Bedeutung gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen sind. Eine Anhebung auf den vollen Wert der Hauptsache kommt in Betracht, wenn die einstweilige Regelung praktisch eine Hauptsacheregelung vorwegnimmt oder sie erübrigt (Keske, in: Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG mit FamGKG, § 41, Rn 2; OLG München FamRZ 1997, 691).

Dies trifft auf den vorliegenden Fall nicht zu, wie das FamG in seinem zutreffenden Vorlagebeschluss ausgeführt hat. Im Verfahren der einstweiligen Anordnung wird eine vorläufige Regelung getroffen. In der Regel findet keine Beweisaufnahme statt, die einzelnen Positionen sind glaubhaft zu machen. Eine ergangene Entscheidung hindert die Parteien nicht, die strittigen Fragen in einem nachfolgenden Hauptsacheverfahren auszutragen; eine Bindung an die vorläufige Entscheidung besteht nicht. Im vorliegenden Fall blieb insbesondere strittig, ob und in welchem Umfang der Antragstellerin erzielbare Einkünfte zuzurechnen sind. Allein der Umstand, dass im einstweiligen Anordnungsverfahren der „volle“ Unterhalt geltend gemacht wird, rechtfertigt es nicht, den Verfahrenswert für ein Hauptsacheverfahren nach § 51 FamGKG festzusetzen (OLG Düsseldorf NJW 2010, 1385 [= AGS 2010, 105]), weil auch der Unterhaltsberechtigte nicht gehindert ist, in einem Hauptsacheverfahren einen höheren Unterhalt geltend zu machen.

Das FamG hat daher den Verfahrenswert für das vorliegende Verfahren zutreffend festgesetzt; die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners ist damit als unbegründet zurückzuweisen.

Anmerkung

Die Entscheidung ist unzutreffend.

Das OLG folgt dem FamG dahin, dass die Verfahrenswerte im Verfahren der einstweiligen Anordnung „regelmäßig“ wegen ihrer geringeren Bedeutung gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen sind. Eine Anhebung auf den vollen Wert der Hauptsache komme nur dann in Betracht, wenn die einstweilige Regelung praktisch eine Hauptsacheregelung vorweg nehme oder sie erübrige.

Bereits der Ausgangspunkt ist falsch. Auch in einstweiligen Anordnungsverfahren ist von der gesetzlichen Systematik zunächst einmal vom vollen Hauptsachewert auszugehen. Erst dann ist zu fragen, ob die einstweilige Anordnung eine geringere Bedeutung hat. Ist diese Voraussetzung gegeben, dann ist der Wert zu ermäßigen. Fehlen Anhaltspunkte für eine Ermäßigung, dann ist grundsätzlich auf den halben Wert des Hauptsacheverfahrens herabzusetzen.

Es ist also nicht so, dass zu fragen ist, ob die einstweilige Anordnung ausnahmsweise eine besondere Bedeutung hat. Vielmehr ist umgekehrt zu fragen, ob die einstweilige Anordnung eine geringere Bedeutung hat.

Bei einer einstweiligen Anordnung auf Unterhalt ist das grundsätzlich zu verneinen, weil hier – im Gegensatz zu anderen einstweiligen Anordnungen – das Gesetz ausdrücklich regelt, dass der Hauptsacheanspruch, nämlich der Anspruch auf Zahlung geltend gemacht wird.

Der Hinweis, in einstweiligen Anordnungen finde keine Beweisaufnahme statt, trägt meines Erachtens nicht, da Beweisaufnahmen in Unterhaltsprozessen ohnehin die Ausnahme sind, weil hier sämtliche Einkünfte urkundlich belegt werden.

Dass die Parteien nicht gehindert sind, nachfolgend ein Hauptsacheverfahren durchzuführen, ist unerheblich. Insbesondere ist unerheblich, ob im nachfolgenden Hauptsacheverfahren noch höhere Ansprüche geltend gemacht werden, da dies die Berechtigung der im einstweiligen Anordnungsverfahren geltend gemachten Beträge nicht tangieren kann.

Mit der gleichen Begründung könnte man generell in erstinstanzlichen Unterhaltsverfahren den Wert herabsetzen, die ausgesprochene Verpflichtung sei nicht endgültig, weil eine Abänderung im Beschwerdeverfahren möglich sei.

Das Entscheidende ist hier, dass der Hauptsacheanspruch geltend gemacht wird, so dass dies grundsätzlich gegen eine geringere Bedeutung spricht.

Eine geringere Bedeutung wird man dann annehmen können, wenn zeitgleich die Hauptsache anhängig gemacht wird.

Auch bei einem Fall eines Unterhaltsanspruchs auf Zahlung eines Kostenvorschusses ist niemand auf die Idee gekommen, einen geringeren Wert festzusetzen, weil es sich um eine einstweilige Anordnung handelt. Entscheidend ist auch hier, dass nach § 246 FamFG ...

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