I. Erinnerungsverfahren gem. § 56 RVG

In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass vermeintliche Beschwerden gem. §§ 56, 33 RVG mangels Erreichen des erforderlichen Werts des Beschwerdegenstands in Höhe von mindestens 200,01 EUR (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG) oder wegen Versäumung der zweiwöchigen Beschwerdefrist (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 3 RVG) zurückgewiesen werden. Das LG hat hier zutreffend erkannt, dass gegen die vom Urkundsbeamten auf die Erinnerung des Bezirksrevisors getroffene Abhilfeentscheidung vom Rechtsanwalt erneut Erinnerung eingelegt werden kann. Die Erinnerung unterliegt keiner Frist.[1]

Gegen die Abhilfeentscheidung des Urkundsbeamten kann die jeweils belastete Partei (Rechtsanwalt oder Staatskasse) ihrerseits Erinnerung einlegen. Hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle aber bereits einmal einer Erinnerung der Staatskasse oder des Anwalts abgeholfen, kann er der gegen seine Abhilfeentscheidung gerichteten erneuten Erinnerung der anderen Partei nicht mehr abhelfen, sondern muss die Sache dann dem Gericht zur Entscheidung vorlegen.[2]

II. Gebührenrechtliche Behandlung des Adhäsionsverfahrens

Das LG hat auch zutreffend entschieden, dass das in ein Strafverfahren eingebettete Adhäsionsverfahren gem. §§ 403 ff. StPO dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit i.S.v. § 15 RVG betrifft, auch wenn der Pflichtverteidiger für den Beschuldigten den Adhäsionsanträgen mehrerer Verletzter entgegentritt. Die zusätzliche 2,0-Verfahrensgebühr Nr. 4143 VV ist deshalb nach den zusammengerechneten Werten der Adhäsionsanträge zu berechnen.

Dieselbe Instanz eines Strafverfahrens verkörpert gebührenrechtlich dieselbe Angelegenheit, mögen ihm auch unterschiedliche prozessuale Taten und damit Verfahrensgegenstände zugrunde liegen. Entsprechendes gilt regelmäßig für die Tätigkeit des Verteidigers in dem zivilrechtlich geprägten Adhäsionsverfahren, das einen "aus der Straftat" erwachsenen Anspruch betrifft (vgl. § 403 StPO) und aus prozessökonomischen Gründen als Annex an das Strafverfahren angegliedert ist, weshalb auch insoweit lediglich eine gebührenrechtliche Angelegenheit vorliegt. Es kommt deshalb nicht darauf an, wie viele Adhäsionskläger im Adhäsionsverfahren auftreten und wie viele Ansprüche insoweit erhoben werden.[3]

Das bedeutet, dass für die Tätigkeit in demselben gerichtlichen Adhäsionsverfahren die zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV nur einmal anfallen kann. Tritt der Pflichtverteidiger in demselben gerichtlichen Adhäsionsverfahren den Adhäsionsanträgen mehrerer Nebenkläger entgegen, liegt dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit vor und wird der hierdurch anfallende Mehraufwand durch eine Zusammenrechnung der Gegenstandswerte der einzelnen Adhäsionsanträge abgegolten.[4] Denn gem. § 22 Abs. 1 RVG werden in derselben Angelegenheit die Werte mehrerer verschiedener Gegenstände zusammengerechnet. Mehrere Adhäsionskläger sind nicht aufgrund derselben strafbaren Handlung an demselben Rechtsgut geschädigt worden, sondern machen im Rahmen derselben Angelegenheit als Opfer verschiedener zu ihrem jeweiligen Nachteil begangener Straftaten zivilrechtliche Ansprüche geltend und treten insofern auch nicht als Rechtsgemeinschaft (etwa Gesamtgläubiger) auf, was gem. § 22 Abs. 1 RVG zu einer Addition der Gegenstandswerte führt.[5]

Soweit das KG[6] für die Vertretung mehrerer Adhäsionskläger in demselben Strafverfahren eine andere Auffassung vertritt, kann dem nicht gefolgt werden. Das KG geht schon nicht auf die wohl herrschende Gegenauffassung ein, die die Vertretung mehrerer Adhäsionskläger in demselben Strafverfahren derselben Angelegenheit zuordnet mit der Folge, dass die Gebühr Nr. 4143 VV nur einmal nach den gem. § 22 Abs. 1 RVG zusammengerechneten Werten der Adhäsionsanträge entsteht.

Ferner hat das KG seine Auffassung unzutreffend unter Hinweis auf die für die gebührenrechtliche Angelegenheit nicht maßgebende Vorschrift des § 22 Abs. 1 RVG gestützt. Wäre die Auffassung des KG richtig, müsste z.B. auch die Klage desselben Klägers auf Zahlung eines Teilbetrags der Klageforderung aus Kaufvertrag und eines weiteren Teilbetrags aus einem anderen Kaufvertrag gebührenrechtlich als verschiedene Angelegenheiten zu qualifizieren sein. Das ist jedoch nicht der Fall.

Auch etwaige Anrechnungsschwierigkeiten bei der Gebühr Nr. 4143 VV sprechen im Übrigen nicht dafür, von verschiedenen Angelegenheiten auszugehen:

Nach Abs. 2 der Anm. zu Nr. 4143 VV wird die Gebühr zu einem Drittel auf die Verfahrensgebühr, die für einen bürgerlichen Rechtsstreit wegen desselben Anspruchs entsteht, angerechnet.

Wenn wegen § 15 Abs. 2 RVG im Strafverfahren nur eine Gebühr Nr. 4143 VV nach den gem. § 22 Abs. 1 RVG zusammengerechneten Werten der verschiedenen Adhäsionsansprüche der Adhäsionskläger entsteht und nur für einen der Adhäsionsansprüche ein bürgerlicher Rechtsstreit nachfolgt, ist die Gebühr Nr. 4143 VV im Umfang der Gegenstandsidentität auf die Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV des Rechtsstreits anzurechnen.[7]

Auch ein H...

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