Leitsatz

  1. Der Anspruch des Versicherungsnehmers aus der Rechtsschutzversicherung ist auf die Befreiung von den bei der Wahrung der rechtlichen Interessen entstehenden Kosten gerichtet.
  2. Der Versicherer kann diesen Befreiungsanspruch hinsichtlich der von ihm nach § 2 Abs. 1a ARB 75 zu tragenden gesetzlichen Vergütung eines Rechtsanwalts auch dadurch erfüllen, dass er dem Versicherungsnehmer Kostenschutz für einen etwaigen Gebührenprozess zwischen dem Versicherungsnehmer und seinem Prozessbevollmächtigten zusagt.
  3. § 158n S. 3 VVG a.F. hindert den Deckungsschutz gewährenden Versicherer nicht, eine Gebührenforderung des Anwalts mit der Begründung abzuwehren, es handele sich um unnötige Kosten.

BGH, Urt. v. 21.10.2015 – IV ZR 266/14

1 Sachverhalt

Der Kläger schloss 1974 bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung ab. Vereinbart sind die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 75). Diese bestimmen unter anderem:

 
Hinweis

“§ 1 Gegenstand

(1) Der Versicherer sorgt nach Eintritt des Versicherungsfalles für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers, soweit sie notwendig ist, und trägt die dem Versicherungsnehmer hierbei entstehenden Kosten. Die Wahrnehmung rechtlicher Interessen ist notwendig, wenn sie hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

[…]

§ 2 Umfang

(1) Der Versicherer trägt

a) die gesetzliche Vergütung eines für den Versicherungsnehmer tätigen Rechtsanwaltes. […]

[…]

(2) Der Versicherer hat die Leistungen nach Abs. 1 zu erbringen, sobald der Versicherungsnehmer wegen der Kosten in Anspruch genommen wird.

[…]

§ 16 Benennung und Beauftragung des Rechtsanwaltes

(1) Der Versicherungsnehmer ist berechtigt, dem Versicherer einen Rechtsanwalt zu benennen, der seine Interessen wahrnehmen soll und dessen gesetzliche Vergütung der Versicherer gem. § 2 Absatz 1a) zu tragen hat. […]

[…]

§ 17 Prüfung der Erfolgsaussichten

(1) Ist der Versicherer der Auffassung, daß die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, kann er seine Leistungspflicht verneinen. Dies hat er dem Versicherungsnehmer unter Angabe der Gründe unverzüglich schriftlich mitzuteilen. […]”

Der Kläger beteiligte sich 1995 und 1996 als atypischer stiller Gesellschafter an zwei Unternehmen der sog. G. G. Im Jahr 2004 wandte der Kläger sich an die Anwaltskanzlei M. (fortan: Prozessbevollmächtigte), um Ansprüche wegen dieser Beteiligungen geltend zu machen. Nachdem die Beklagte zunächst Kostenschutz für Ansprüche gegen die Anlagegesellschaften gewährte, sagte sie dem Kläger aufgrund einer Vereinbarung v. 6./8.7.2009 Kostenschutz im erbetenen Umfang für ein Vorgehen gegen Konzeptanten, Initiatoren und ehemalige Vorstände der G. G. wegen Betruges und anderer unerlaubter Handlungen zu. Der Rechtsstreit mit den Anlagegesellschaften endete mit einem Vergleich; jedoch wurde am 20.6.2007 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der am Vergleich beteiligten Anlagegesellschaften eröffnet.

Mit Schreiben v. 9.3.2011 rieten die Prozessbevollmächtigten des Klägers diesem, Ansprüche wegen seiner Beteiligungen gegen die Wirtschaftsprüfer geltend zu machen, die für die G. G. tätig gewesen waren. Mit Schreiben v. 28.3.2011 baten sie die Beklagte um Kostenschutz für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung für Ansprüche aus Beihilfe zum Betrug und Kapitalanlagebetrug sowie aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gegen drei Wirtschaftsprüfungsunternehmen, die für die G. G. tätig gewesen waren. Hierbei verwiesen die Prozessbevollmächtigten des Klägers auf eine von ihnen gefertigte Stellungnahme zur Haftung der Wirtschaftsprüfungsunternehmen. Der Kläger erteilte seinen Prozessbevollmächtigten unter dem 31.3.2011 Auftrag und Vollmacht zur außergerichtlichen und gerichtlichen Vertretung wegen Schadensersatzforderungen gegen Unternehmen der S. G. und Rechtsnachfolger.

Im Folgenden korrespondierten die Prozessbevollmächtigten des Klägers und die Beklagte über den Deckungsschutz für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Schließlich teilte die Beklagte mit Schreiben v. 29.7.2011 den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dass sie für eine außergerichtliche Tätigkeit gegenüber den bisher in Anspruch genommenen Beteiligten an der angeblichen Straftat bereits Kostenschutz zugesagt habe und es sich bei den Wirtschaftsprüfungsunternehmen um vermeintliche Gehilfen handele, so dass nur eine Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne vorliege. Der Kostenschutz für die hier behandelte außergerichtliche Angelegenheit sei daher bereits erteilt und geleistet. Mit einem weiteren Schreiben v. 29.7.2011 wandte sich die Beklagte an den Kläger, übermittelte ihm ihr Schreiben vom selben Tag an die Prozessbevollmächtigten und führte u.a. folgendes aus:

“Für eine außergerichtliche Interessenwahrnehmung gegen potentielle Täter und Tatbeteiligte hatten wir bereits Deckungszusage erteilt […]. Diese Zusage im außergerichtliche...

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