Leitsatz

  1. Der in einer Strafsache protokollierte Vergleich zwischen dem Angeklagten und dem Adhäsionskläger ist nach den kostenrechtlichen Grundsätzen und Regelungen der ZPO auszulegen.
  2. Haben der Angeklagte und der Adhäsionskläger in einem solchen Vergleich vereinbart, dass der Angeklagte die "Kosten” des Adhäsionsverfahrens und des Vergleichs zu tragen hat, ist damit zugleich eine Regelung über die notwendigen Auslagen des Adhäsionsklägers getroffen. "

KG, Beschl. v. 29.5.2015 – 1 Ws 4/15

1 Sachverhalt

Der Angeklagte und Adhäsionsbeklagte hatten sich in einem vor der Jugendkammer des LG geschlossenen Vergleichs unter anderem verpflichtet, an den Adhäsionskläger ein Schmerzensgeld i.H.v. 10.000,00 EUR nebst Zinsen zu zahlen sowie die "Kosten” des Adhäsionsverfahrens und des Vergleichs zu tragen. Nach Anhörung der Vergleichsparteien hat das LG den Gegenstandswert auf 10.000,00 EUR festgesetzt."

In seinem Kostenfestsetzungsantrag hat der Adhäsionskläger gem. § 464b StPO die Festsetzung seiner notwendigen Auslagen für die anwaltliche Vertretung im Adhäsionsverfahren i.H.v. 2.015,86 EUR geltend gemacht. Der Rechtspfleger des LG hat den Kostenfestsetzungsantrag zurückgewiesen, weil der Vergleich keine Regelung bezüglich der notwendigen Auslagen enthalte. Kosten des Verfahrens seien nach § 464a Abs. 1 StPO nur die Gebühren und Auslagen der Staatskasse. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Adhäsionsklägers, der seinen Antrag weiterverfolgt.

2 Aus den Gründen

Die nach § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg.

1. Mit dem hier geschlossenen Vergleich haben die Parteien unter Zugrundelegung des zivilprozessualen Kostenbegriffs zugleich eine Regelung über die notwendigen Auslagen des Adhäsionsklägers getroffen.

Das Kostenfestsetzungsverfahren richtet sich nach §§ 103 f. ZPO. Zuständig für die Festsetzung ist der Rechtspfleger des mit der Strafsache befassten LG (§ 104 Abs. 1 S. 1 ZPO, § 21 Nr. 1 RPflG). Grundlage für die Festsetzung nach §§ 103 f. ZPO ist der nach § 405 Abs. 1 S. 1 StPO geschlossene und protokollierte Prozessvergleich als Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Dieser ist nach den kostenrechtlichen Grundsätzen und Regelungen der ZPO auszulegen (vgl. LG Hildesheim, Beschl. v. 23.9.2013 – 22 Qs 7/13 [= AGS 2014, 183]; Burhoff/Volpert, RVG in Straf- und Bußgeldsachen, 4. Aufl., Teil A Rn 728 und 1341).

Dem steht nicht entgegen, dass innerhalb eines Strafverfahrens – wie hier hinsichtlich der Festsetzung nach §§ 103 f. ZPO aus dem Vergleich und der Festsetzung nach § 464b StPO aus der gerichtlichen Kosten- und Auslagenentscheidung in dem Urteil gegen die anderen Adhäsionsbeklagten – unterschiedliche Verfahrensordnungen und Kostenbegriffe gelten können. Mit der Einführung der Regelungen über das Adhäsionsverfahren hat der Gesetzgeber zugunsten einer schnellen und effizienten Erledigung der mit einer Straftat verbundenen Rechtsfragen die Anwendung von Normen aus unterschiedlichen Rechtsgebieten in Kauf genommen (vgl. Meier/Dürre: Das Adhäsionsverfahren, JZ 2006, 18 [19, 25]). Er hat Vorschriften aus Buch 8 der ZPO (§ 406 Abs. 3 S. 2 StPO) und zivilrechtliche Elemente wie den Vergleich (§ 405 StPO) in das Strafverfahren übertragen. Insofern liegt die Anwendung des zivilprozessualen Kostenbegriffs nahe. Denn § 405 StPO beruht auf den Vorstellungen und Grundsätzen des Zivilprozessrechts (vgl. LG Hildesheim a.a.O.). Dies zeigt die inhaltliche Übereinstimmung zwischen § 160 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 S. 1 ZPO und § 405 Abs. 1 StPO, der die Protokollierung auf Antrag regelt. Die Übertragung zivilrechtlicher Grundsätze ist folgerichtig, denn der Vergleich ist ein privatrechtlicher Vertrag über zivilrechtliche Ansprüche. Das Strafverfahren bietet lediglich den Anlass und über das Adhäsionsverfahren die Möglichkeit für diese Vereinbarung. Damit geht einher, dass die Einigung hinsichtlich der Haupt- und Nebenforderungen – wie in dem Vergleich auch – dem Sprachgebrauch des Zivilrechts folgt. Eine davon abweichende Behandlung der zwischen den Vergleichsparteien getroffenen Kostenregelung nach den Regelungen der StPO, die insoweit keine gesonderte Regelung enthält, führte zu einer Aufspaltung dieser rechtlich selbstständigen Vereinbarung, die nicht sachgerecht wäre und den Interessen der Parteien widerspräche.

Für die Anwendung des zivilprozessualen Kostenbegriffs spricht nicht zuletzt, dass die zwischen Adhäsionskläger und -beklagtem hinsichtlich der Kosten getroffene Vereinbarung ins Leere ginge, wenn sie nur die Gerichtskosten beträfe. Denn eine Gerichtsgebühr entsteht im Adhäsionsverfahren nur im Falle eines dem Adhäsionsantrag stattgebenden Urteils nach § 406 Abs. 1 S. 1, 2 StPO (Nr. 3700 GKG-KostVerz.). Hat das Gericht nicht durch Urteil entschieden, weil sich die Parteien – wie hier – gerichtlich oder außergerichtlich geeinigt haben, wird keine Gerichtsgebühr nach § 34 GKG, Nr. 3700 GKG-KostVerz. erhoben (vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 GKG). Anhaltspunkte für streitwertabhängige besondere Ausl...

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