Die gem. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie die Wiederherstellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses in seiner ursprünglichen Fassung und damit die Festsetzung eines Erstattungsanspruches von mehr als 9.585,60 EUR nebst Zinsen erstrebt. Das LG hatte der sofortigen Beschwerde des Klägers i.H.v. 4.348,00 EUR abgeholfen. Die hiermit verbundene Teilablehnung des Festsetzungsantrags der Beklagten ist rechtskräftig, nachdem die Beklagte gegen diese erstmals im Abhilfeverfahren eingetretene Beschwer kein Rechtsmittel eingelegt hatte (vgl. OLG München Rpfleger 1989, 55; MüKo-ZPO/Schulz, 4. Aufl., § 104 Rn 100 f.; Prütting/Gehrlein/Schmidt, ZPO, 5. Aufl., § 104 Rn 36).

Im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde zulässig und begründet.

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Die Kosten eines vom Berufungsbeklagten beauftragten Rechtsanwalts seien nur dann notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, wenn der Berufungsbeklagte anwaltlichen Rat in einer als risikohaft empfundenen Situation für erforderlich halten dürfe. Wenn die Partei selbst Rechtsanwalt sei oder ihr Rechtsanwälte angehörten, stelle sich die Prozesssituation für sie als Berufungsbeklagte erst dann als riskant dar, wenn eine Berufungsbegründung vorliege. Werde die Berufung schon während der laufenden Berufungsbegründungsfrist zurückgenommen oder verstreiche diese ungenutzt, müsse eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung hingegen nicht befürchtet werden.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Solange noch unsicher ist, ob die Berufung durchgeführt werden wird, ist die Beauftragung eines Rechtsanwalts für die Berufungsinstanz zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung objektiv nicht erforderlich (BGH, Beschl. v. 6.12.2007 – IX ZB 223/06, NJW 2008, 1087 [= AGS 2008, 155]). Die Kosten eines gleichwohl beauftragten Rechtsanwalts werden von der Rspr. alleine deshalb als erstattungsfähig anerkannt, weil der Rechtsmittelgegner anwaltlichen Rat in einer von ihm als risikohaft empfundenen Situation für erforderlich halten darf (BGH, Beschl. v. 17.12.2002 – X ZB 9/02, NJW 2003, 756 [= AGS 2003, 219]; v. 3.7.2007 – VI ZB 21/06, AGS 2007, 537; v. 6.12.2007, a.a.O.).

b) Hiernach durfte die hier beklagte Rechtsanwaltsgesellschaft die Einschaltung eines Rechtsanwaltes als notwendig erachten, obwohl im Zeitpunkt der Bestellung noch unsicher war, ob die Berufung durchgeführt werden würde. Für die Frage, ob eine Partei die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes als erforderlich ansehen darf, kommt es nicht darauf an, ob sie rechtskundig ist oder über eine eigene Rechtsabteilung verfügt (vgl. MüKo-ZPO/Schulz, 4. Aufl., § 91 Rn 57). Maßgeblich ist die Sicht einer verständigen Prozesspartei (BAG NJW 2008, 1340). Soweit der Senat erkannt hat, dass der sich selbst vertretende Anwalt die Situation nicht in gleicher Weise als risikobehaftet empfindet und deshalb keines Rates bedarf (BGH, Beschl. v. 6.12.2007, a.a.O.), folgt hieraus keine Abkehr von vorgenannten allgemeinen Grund-sätzen. Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem sich der sich selbst vertretende Rechtsanwalt im Rechtsmittelverfahren noch nicht bestellt hatte. In einem solchen Fall besteht kein Anlass dafür, vor Eingang einer Rechtsmittelbegründung Information und Beratung als anwaltliche Tätigkeit zu fingieren (BGH, Beschl. v. 6.12.2007, a.a.O.). Demgegenüber hatten sich die Bevollmächtigten der Beklagten im Berufungsverfahren bereits vor dem gerichtlichen Hinweis auf die Unzulässigkeit der Berufung (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 26.1.2006 – III ZB 63/05, NJW 2006, 2260 [= AGS 2006, 516]) bestellt und hierdurch eine anwaltliche Tätigkeit entfaltet (vgl. BGH, Beschl. v. 3.7.2007 – VI ZB 21/06, AGS 2007, 537 m.w.Nachw.). Dass die frühzeitige Anwaltsbestellung in erkennbarer Schädigungsabsicht erfolgt ist (vgl. MüKo-ZPO/Schulz, 4. Aufl., § 91 Rn 57), ist weder dargetan noch ersichtlich.

Die Entscheidung des Beschwerdegerichts kann daher keinen Bestand haben. Da keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, sondern der Sachverhalt zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat gem. § 577 Abs. 5 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden. Die Beklagte kann von dem Kläger die Erstattung einer 1,1-Gebühr nach Nrn. 3200 VV nebst einer Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV in einer Gesamthöhe von 9.585,60 EUR verlangen (vgl. BGH, Beschl. v. 3.7.2007 – VI ZB 21/06, AGS 2007, 537, 538 m.w.Nachw.; Mayer/Kroiß/Maué, RVG, 5. Aufl., RVG Nrn. 3200-3205 VV Rn 6 f.). Dies entspricht der Festsetzung des LG in der Fassung seines Beschl. v. 2.3.2011. Dieser ist wiederherzustellen.

AGS 1/2014, S. 51 - 52

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