RVG § 15a ZPO §§ 91, 104, 106

Leitsatz

Sind Anwaltskosten der vorgerichtlichen Vertretung mit eingeklagt, muss der Beklagte bei Abschluss eines Prozessvergleichs für eine eindeutige Regelung sorgen, dass diese Kosten in die Vergleichssumme einbezogen sind. Dabei muss auch der Umfang der Einbeziehung bestimmt werden.

OLG Koblenz, Beschl. v. 18.11.2013 – 14 W 634/13

1 Aus den Gründen

Die zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg. Der Senat hat die Streitfrage der Parteien bereits entschieden (Beschl. v. 24.8.2010 – 14 W 460/10, in AGS 2010, 465 = JurBüro 2010, 585 = MDR 2010, 1426 = Rpfleger 2011, 118 = NJW-RR 2011, 431). Anders als im dortigen Fall, ergibt die Auslegung des Prozessvergleichs der Parteien hier nicht, dass die eingeklagte Geschäftsgebühr mitverglichen wurde. Der BGH hat das in dem von der sofortigen Beschwerde zitierten Beschluss (VI ZB 45/10 [= AGS 2011, 6]) treffend in die Worte gefasst, dass eine Einbeziehung "möglich, jedoch nicht zwingend erscheint”. "

Der Einwand des Beklagten, die Vergleichsformulierung "zur Abgeltung aller streitgegenständlichen Forderungen” belege die Einbeziehung, greift deshalb zu kurz, weil die Anwaltskosten als bloße Nebenforderung geltend gemacht wurden. Auch aus dem Gebrauch des Plurals (Forderungen) lässt sich im vorliegenden Fall nichts Entscheidendes herleiten, weil in der Hauptsache über mehrere Forderungen gestritten wurde. Nach dem Wortverständnis des Beklagten hätte die Formulierung näher gelegen, dass der Vergleichsbetrag "zur Abgeltung aller Forderungen” gezahlt werde. Allerdings wäre auch dann der Anrechnungsumfang offen geblieben. ""

Ergänzend bemerkt der Senat, dass das Problem angesichts der zahlreichen veröffentlichten Entscheidungen des BGH und der Oberlandesgerichte nunmehr seit vielen Jahren bekannt ist und jedem Anwalt geläufig sein muss. Er hat daher bei Abschluss eines Prozessvergleichs für eine eindeutige Regelung zu sorgen, wenn die Kosten der vorgerichtlichen Vertretung in die Vergleichssumme einbezogen sein sollen (so der Fall des Senatsbeschl. 14 W 460/10 a.a.O.). Wie bereits erwähnt, erschließt sich im vorliegenden Fall auch nicht, in welchem Umfang der im Vergleich liegende Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) sich auf die Geschäftsgebühr erstreckt. Das Wort "soweit” in § 15a Abs. 2 RVG hat das LG demnach nicht beachtet."

Fehlt eine eindeutige Einbeziehung in den Vergleich, ist die Geschäftsgebühr nicht tituliert (vgl. den ebenfalls vom 24.8.2010 datierenden Senatsbeschl. 14 W 463/10 in AGS 2010, 464 = JurBüro 2010, 584 = MDR 2010, 1494). Auf diese Senatsentscheidung hat Enders in seiner Anmerkung zum Beschluss des BGH ausdrücklich hingewiesen (JurBüro 2011, 190). Der Rechtspfleger hat dem nicht die gebotene Beachtung geschenkt. Der Senat hielt es daher für sachgemäß, ihm die Nachfestsetzung zu übertragen (§ 572 Abs. 3 ZPO).

Mitgeteilt von RiOLG Ernst Weller, Koblenz

2 Anmerkung

Nach § 15a Abs. 2, 2. Var. RVG kann sich die erstattungspflichtige Partei auf die Anrechnung einer beim erstattungsberechtigten Gegner entstandenen vorgerichtlichen Geschäftsgebühr berufen, wenn über die Geschäftsgebühr ein gegen sie gerichteter Vollstreckungstitel besteht.

Ein solcher Vollstreckungstitel i.S.d. § 15a Abs. 2, 2. Var. RVG kann auch ein gerichtlicher Vergleich sein (siehe § 794 Abs. 1 S. 1 ZPO); jedoch muss sich dann aus dem Vergleich eindeutig ergeben,

  dass die Geschäftsgebühr in der Gesamtvergleichssumme tituliert sein soll und
  in welchem Umfang die Geschäftsgebühr tituliert sein soll.

Die beiden vorgenannten Erfordernisse müssen sich nicht ausdrücklich aus dem Vergleich ergeben; es genügt, wenn dies aus den Umständen des Einzelfalls und der Auslegung des Vergleichs folgt. Sind jedoch zu wenige Anhaltspunkte für eine solche Auslegung vorhanden, scheidet eine Anrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren aus.

Hinreichende Anknüpfungspunkte für eine Anrechnung hat die Rspr. bisher in zwei Fällen angenommen:

In einem vom OLG Koblenz entschiedenen Fall[1] hatten sich die Parteien dahingehend verglichen, dass ein Betrag in Höhe von 3.600,00 EUR zum Ausgleich gezahlt werde, und zwar "einschließlich von Ziffer 4) der Klageforderung". Ziffer 4 der Klageforderung war der mit eingeklagte Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr in Höhe von brutto 1.196,43 EUR. Damit ergab sich also eindeutig die erste Voraussetzung, nämlich dass die Geschäftsgebühr in der Gesamtvergleichssumme mit tituliert sein sollte. Es fehlte allerdings die zweite Voraussetzung, dass sich auch der Umfang der Titulierung ergab. Das OLG Koblenz ist in der zitierten Entscheidung offenbar davon ausgegangen, der Gesamtbetrag von 1.196,43 EUR sei in der Vergleichssumme enthalten, und hat ihn in der Kostenfestsetzung hälftig angerechnet.

Im Fall des OLG Düsseldorf[2] war eine Hauptforderung i.H.v. 40.400,00 EUR eingeklagt sowie eine 2,0-Geschäftsgebühr nebst Auslagen und Umsatzsteuer in Höhe von 2.341,92 EUR. Die Parteien hatten sich sodann auf eine Zahlung von 36.360,00 EUR sowie 2.107,73 EUR mit einer Ko...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge