VorsRiBGH Dr. Ulrich Herrmann und RiOLG Dr. Stefan Andreas Stodolkowitz, Gebührenvorschusspflicht im Rechtsmittelverfahren, NJW 2023, 1190

Gem. § 12 Abs. 1 S. 1 GKG soll im Verfahren nach der ZPO die Klage erst nach Zahlung der gerichtlichen Verfahrensgebühr, die gem. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GKG mit der Einreichung der Klageschrift fällig geworden ist, zugestellt werden. Eine entsprechende Vorschusspflicht besteht nach geltendem Recht für das Rechtsmittelverfahren nicht. Eine solche Vorschusspflicht für das Berufungs- und Revisionsverfahren bestand allerdings nach den früheren Fassungen des GKG – mit Ausnahme einer kurzen Unterbrechung – im Zeitraum von 1910 bis 1950. Anhand eines Gesetzesentwurfs aus dem Jahre 2007 und einer weiteren Gesetzesinitiative des Landes Baden-Württemberg im Jahr 2010 sprechen sich die Autoren für eine Wiedereinführung der Vorauszahlungspflicht im Rechtsmittelverfahren aus.

In ihrem Beitrag stellen Herrmann und Stodolkowitz zunächst die Gesetzesinitiative Baden-Württembergs aus dem Jahre 2007 vor. Der entsprechende Gesetzesentwurf wurde am 10.3.2007 vom Bundesrat beschlossen und beim Bundestag eingebracht. Jedoch hatte sich der Bundestag mit dem Entwurf nicht mehr befasst, sodass das Gesetzesvorhaben mit Ablauf der Wahlperiode geändert ist. Die Autoren verweisen auf statistisches Material des Landes Baden-Württemberg im Zeitraum vom 1.7.2004 bis zum 30.6.2005, nach dem 3,5 % der Gerichtskostenforderungen für das Berufungsverfahren endgültig gelöscht werden mussten und etwa 30 % trotz eingeleiteter Vollstreckungsmaßnahmen kurzfristig nicht beigetrieben werden konnten. Das Land Baden-Württemberg habe seine Gesetzesinitiative neben diesen fiskalischen Erwägungen auch auf die Missbrauchsgefahr gestützt, wonach Berufungsverfahren allein zur Verzögerung der Rechtskraft der erstinstanzlichen Entscheidung durchgeführt würden. In ihrer Stellungnahme zu dem vom Bundesrat beschlossenen Gesetzesentwurf habe sich die damalige Bundesregierung ablehnend geäußert. Dies sei damit begründet worden, dass die Ausfälle durch uneinbringliche Gebühren im Berufungsverfahren in den Bundesländern relativ gering seien. Außerdem führe die Überwachung der Zahlung zu spürbaren Zahlungsverzögerungen und zu einem deutlich erhöhten Verwaltungsaufwand. Ferner habe die Bundesregierung verfassungsrechtliche Bedenken geäußert. Auch der Zivilverfahrensrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins habe das damalige Gesetzesvorhaben abgelehnt.

Hermann und Stodolkowitz weisen ferner in ihrem Beitrag darauf hin, dass das Land Baden-Württemberg im Jahre 2010 in der nachfolgenden Legislaturperiode erneut einen Gesetzesentwurf eingebracht hätte, der allerdings ebenfalls von der damaligen Bundesregierung abgelehnt worden sei. Auch der zweite Versuch zu der vorgeschlagenen Gesetzesänderung sei gescheitert.

Im Anschluss hieran berichten Hermann und Stodolkowitz über frühere gesetzliche Regelungen einer Vorschusspflicht für die Rechtsmittelverfahren. So habe das GKG vom 18.6.1878 eine allgemeine Vorschusspflicht für jede Instanz vorgesehen, ohne allerdings – entsprechend der heutigen Regelung in § 12 GKG – eine Abhängigmachung weiterer Tätigkeiten des Gerichts von der Zahlung der gerichtlichen Verfahrensgebühr zu bestimmen. Diese sei erst im Jahre 1910 für das Revisionsverfahren eingeführt worden.

Eine erweiterte Vorschlusspflicht für die Berufungsinstanz habe der Gesetzgeber erst im Jahre 1922 eingeführt. Hermann und Stodolkowitz berichten in ihrem Beitrag, dass die entsprechenden Regelungen durch eine Verordnung des Reichsministers der Justiz vom 12.1.1943 wieder aufgehoben worden seien, was auf einen "Erlass des Führers über die Vereinfachung der Rechtspflege" vom 21.3.1942 zurückgegangen sei. Nach dem 2. Weltkrieg seien die entsprechenden Regelungen durch das Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts vom 12.9.1950 endgültig aufgehoben worden.

In ihrem Beitrag sprechen sich die Autoren für die Wiedereinführung der Vorschusspflicht für Gerichtskosten in Berufungs- und Revisionsverfahren aus. Die seinerzeit von der Bundesregierung vorgebrachten Einwendungen, die Vorschusspflicht lasse sich mit der Systematik der zivilprozessualen Berufung nicht vereinbaren, halten die Autoren nicht für stichhaltig. Immerhin habe dieses System mehrere Jahrzehnte gut funktioniert. Auch den Einwand, die Überwachung des Vorschusseingangs erfordere einen deutlich erhöhten Verwaltungsaufwand wollen Herrmann und Stodolkowitz nicht gelten lassen. Denn der Eingang der Gerichtsgebühren müsse ohnehin von den Kostenstellen überwacht werden. Die Einführung einer Vorschussverpflichtung auch im Rechtsmittelverfahren würde lediglich zu einer zeitlichen Vorverlagerung dieses Prüfungsaufwandes führen. Ferner weisen die Autoren darauf hin, dass die Vorschusspflicht die oft schwierige und manchmal fruchtlose Zwangsvollstreckung von Gerichtskostenforderungen en...

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