1. Zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel

Gem. § 103 Abs. 1 ZPO kann der Anspruch auf Erstattung der Prozesskosten nur aufgrund eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels geltend gemacht werden. Aus diesem muss sich ergeben, wer die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Ein solcher Titel kann grds. auch ein im schriftlichen Vorverfahren gem. § 331 Abs. 3 ZPO erlassenes Versäumnisurteil sein.

2. Besonderheiten bei einem im schriftlichen Vorverfahren erlassenen Versäumnisurteil

Ein im schriftlichen Vorverfahren gem. § 331 Abs. 3 ZPO erlassenes Versäumnisurteil ist nach Auffassung des OLG Brandenburg jedoch nur dann ein zur Zwangsvollstreckung und damit auch zur Kostenfestsetzung geeigneter Titel, wenn er beiden Parteien wirksam zugestellt worden ist. Grds. werde nämlich ein Versäumnisurteil mit seiner Verkündung wirksam. Bei einem im schriftlichen Vorverfahren ergangenen Versäumnisurteil werde die Verkündung jedoch gem. § 310 Abs. 1 ZPO durch die von Amts wegen zu erfolgende Zustellung ersetzt. Diese Zustellung stelle den Staatsakt dar, durch den das Urteil aus dem inneren Bereich des Gerichts heraustrete und damit überhaupt rechtlich existent werde.

a) Zustellung von Amts wegen

Das OLG Brandenburg hat darauf hingewiesen, dass diese Zustellung gem. § 166 Abs. 2 ZPO zwingend von Amts wegen vorzunehmen sei.

b) Keine Zustellung im Parteibetrieb

Demgegenüber genügt nach den weiteren Ausführungen des OLG Brandenburg eine Zustellung im Parteibetrieb nicht. Diese finde nämlich gem. § 191 ZPO nur in den gesetzlich zugelassenen oder vorgeschriebenen Fällen statt. Hierunter falle jedoch die Zustellung eines im schriftlichen Vorverfahren ergangenen Versäumnisurteils nicht.

c) Keine Zustellung im Parteibetrieb aufgrund Europarecht

Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus europarechtlichen Zustellungsvorschriften. Zwar ist in Art. 20 EuZustVO (VO(EU)2020 1784) in der ab dem 1.7.2022 geltenden und der bis dahin in Art. 15 EuZustVO (VO(EU)1393/2007) enthaltenen korrespondierenden Fassung geregelt, dass jeder an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligte gerichtliche Schriftstücke unmittelbar durch Amtspersonen, Beamte oder sonstige zuständige Personen des Empfangsmitgliedstaates zustellen lassen kann, wenn eine solche unmittelbare Zustellung nach dem Recht dieses Mitgliedstaats zulässig ist. Hierauf konnte sich der Kläger jedoch nach Auffassung des OLG Brandenburg nicht mit Erfolg berufen. Das Vorgehen nach Art. 20 (früher Art. 15) EuZustVO setze nämlich als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraus, dass die Zustellung des betreffenden Schriftstücks nach dem Recht des Staates, in dem das Verfahren geführt werde, im Parteibetriebe zu erfolgen hat. Aus der Sicht dieses Staates würde es sich nämlich um eine nicht wirksame Zustellung handeln. Das OLG Brandenburg hat darauf hingewiesen, dass die vorgenannte Zustellungsregelung die Übermittlung und Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke zwischen den Mitgliedstaaten in Zivil- oder Handelssachen verbessern und beschleunigen und dabei zugleich ein hohes Maß an Sicherheit und Schutz bei der Übermittlung solcher Schriftstücke sicherstellen sollte. Jedoch würden die genannten Verordnungen keine Regelung im Hinblick auf das "Ob" einer Zustellung von Amts wegen oder im Parteibetriebe treffen. Vielmehr würden sie lediglich die nach dem nationalen Recht jeweils vorgesehene Zustellungsart ausgestalten.

Folglich würden die nach dem deutschen Prozessrecht einzuhaltenden Voraussetzungen für die Wirksamkeit eines vollstreckbaren Titels durch die europarechtlichen Regelungen der Verordnung über die Zustellung nicht berührt, sondern vorausgesetzt. Dies hat nach den weiteren Ausführungen des OLG Brandenburg zur Folge, dass die in Art. 20 (früher Art. 15) EuZustVO vorgesehenen Erleichterungen nur dann in Anspruch genommen werden könnten, wenn das nationale Recht eine Zustellung eines Dokumentes im Parteibetrieb zulasse. Dies sei jedoch bei der Zustellung eines im schriftlichen Verfahren nach § 331 Abs. 3 ZPO erlassenen Versäumnisurteils gerade nicht der Fall.

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