§§ 67, 162 Abs. 2, 164 VwGO; Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1, Nr. 3100 VV RVG

Leitsatz

  1. Für die Erstattungsfähigkeit der Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Verwaltungsgerichtsprozess gem. § 162 Abs. 2 S. 1 VwGO bedarf es einer förmlichen Bevollmächtigung. Wird eine instanzbeendende Entscheidung nicht auf den Mangel einer nachgewiesenen Vollmacht gestützt, kann auch im Kostenfestsetzungsverfahren eine bisher nicht vorgelegte Vollmacht gem. § 67 Abs. 6 S. 2 VwGO mit Rückwirkung auch noch für die Vorinstanzen nachgereicht werden.
  2. Für die anteilige Anrechnung der für die vorgerichtliche Tätigkeit angefallenen Geschäftsgebühr auf die im Gerichtsverfahren entstandene Verfahrensgebühr ist es Voraussetzung, dass der Rechtsanwalt zum Zeitpunkt des Anfalls der Verfahrensgebühr schon einen Anspruch auf die Geschäftsgebühr aus seiner vorprozessualen Tätigkeit erlangt hat. Hat hingegen der erstmals im gerichtlichen Verfahren tätige Anwalt mangels Tätigkeit im Verwaltungsverfahren eine solche Gebühr nicht verdient, scheidet eine Anrechnung aus. Die von einem anderen, vorprozessual tätigen Anwalt verdiente Geschäftsgebühr muss sich der prozessual tätige Rechtsanwalt nicht anrechnen lassen.

Bay. VGH, Beschl. v. 28.6.2021 – 15 C 21.1584

I. Sachverhalt

Der Kläger hatte beim VG Regensburg eine Klage mit dem Antrag auf Aufhebung eines Bescheides des Landratsamtes L eingereicht, mit dem ihm aufgegeben wurde, Bauarbeiten auf einem näher bezeichneten Grundstück einzustellen. Dieser Bescheid wurde u.a. darauf gestützt, dass bei Umsetzung des Bauvorhabens die Abstandsflächen in Richtung des Grundstücks der Beigeladenen nicht eingehalten würden. Unter dem 3.10.2018 beantragte Rechtsanwalt X für die Beigeladenen, die Klage abzuweisen. Mit Schreiben vom 19.8.2019 zeigte die Rechtsanwaltskanzlei L, für die Rechtsanwalt M tätig war, ohne Vorlegung einer Vollmacht die nunmehrige Vertretung für die Beigeladenen an. Dem beigefügt war ein Schreiben der Beigeladenen, in dem das Mandatsverhältnis zu ihrem vormalig bevollmächtigten Rechtsanwalt X gekündigt wurde. In der Folgezeit war Rechtsanwalt M, der nach einem Kanzleiwechsel nunmehr für die Rechtsanwaltskanzlei B und Partner tätig war, für die Beigeladenen weiterhin als Prozessbevollmächtigter tätig.

Aufgrund der vom VG Regensburg am 14.7.2020 erlassenen Kostenentscheidung beantragte Rechtsanwalt M am 20.7.2020 die Festsetzung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, darunter eine nach Nr. 1008 VV erhöhte Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV gegen den Kläger. Dieser erhob gegen den Kostenfestsetzungsantrag Einwendungen. Im Kostenfestsetzungsverfahren legte Rechtsanwalt M mit Schreiben der Kanzlei B und Partner eine von den Beigeladenen am 31.8.2020 unterschriebene Prozessvollmacht vor, die das Verfahren vor dem VG Regensburg unter Angabe des Aktenzeichens betraf.

Der Urkundsbeamte des VG Regensburg setzte durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2.12.2020 die von dem Kläger an die Beigeladenen zu erstattenden notwendigen Aufwendungen antragsgemäß fest. Die hiergegen vom Kläger erhobene Erinnerung hat das VG Regensburg zurückgewiesen. Dies hat das VG u.a. damit begründet, bei Vertretung durch einen Rechtsanwalt sei eine Prüfung der Prozessvollmacht nur im Falle der Rüge eines Beteiligten veranlasst. Dieser Mangel könne in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Wenn eine Vollmacht nachgereicht werde, so werde hierdurch ein etwaiger Mangel der Prozessvollmacht geheilt.

Gegen diesen Beschluss des VG Regensburg hat der Kläger Beschwerde erhoben. Diese hat er u.a. damit begründet, der ehemalige Bevollmächtigte der Beigeladenen, Rechtsanwalt X, habe diese auch außergerichtlich vertreten, sodass die geltend gemachte Verfahrensgebühr durch Anrechnung der Geschäftsgebühr zu reduzieren sei. Außerdem stehe den Beigeladenen die Verfahrensgebühr auch dem Grunde nach nicht zu, weil zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der nachträglich vorgelegten Vollmacht das vorangegangene Verfahren bereits abgeschlossen gewesen sei.

Der Bay. VGH hat die Beschwerde des Klägers zurückgewiesen. Die Beschwerde sei gem. § 66 Abs. 2 S. 1 GKG zulässig, jedoch in der Sache unbegründet.

II. Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten

1. Grundsätze

Der Bay. VGH hat darauf hingewiesen, dass im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts gem. § 162 Abs. 2 S. 1 VwGO jedenfalls hinsichtlich der gesetzlich vorgesehenen Gebühren und Auslagen grds. erstattungsfähig sind, weil sie kraft Gesetzes als notwendig anzusehen sind. Nach dem im Verwaltungsprozess gem. § 173 VwGO entsprechend anwendbaren § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO bestehe grds. ein Anspruch auf Erstattung der Kosten nur eines Rechtsanwalts.

2. Vorlage der Vollmacht

Nach den weiteren Ausführungen des Bay. VGH bedarf es für die Erstattungsfähigkeit der Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts gem. § 162 Abs. 2 S. 1 VwGO einer förmlichen Bevollmächtigung. Wenn – wie hier – eine instanzbeendende Entscheidung nicht auf den Mangel einer nachgewiesenen Vollmacht gestützt werde, könne eine bisher nicht vorgelegte Vollmacht gem. §...

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