Wird das Grundurteil durch das Berufungsgericht bestätigt und wird die Sache an das Ausgangsgericht zurückgegeben, um dort über das Betragsverfahren zu entscheiden, so liegt keine Zurückverweisung i.S.d. § 21 Abs. 1 RVG vor. Das wird seit der Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2004 und den dortigen Entscheidungsgründen als unstreitig gelten.[4] Es bleibt daher dabei, dass Grund- und Betragsverfahren als einheitliche Angelegenheit zu betrachten sind und keine gesonderten Gebühren anfallen.

Der BGH hat dabei darauf verwiesen, dass es trotz der in § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO enthaltenen Formulierung anerkannt sei, dass die ein Grundurteil bestätigende Entscheidung eines Rechtsmittelgerichts keine Zurückverweisung darstelle. Daran mangele es schon deshalb, weil der Rechtsstreit auch während des Rechtsmittelverfahrens gegen das Zwischenurteil bei dem Vordergericht anhängig bleibt und neben diesem Verfahren fortgeführt werden könne. Ein Urteil, durch das ein Rechtsmittel gegen ein Grundurteil zurückgewiesen werde, habe deshalb auch nicht die Zurückverweisung, sondern die Zurückweisung des Rechtsmittels auszusprechen und auch eine Kostenentscheidung zu enthalten, für die ansonsten kein Raum wäre. Eine Zurückverweisung komme nur in Betracht, wenn das angefochtene Urteil von dem Rechtsmittelgericht nicht gebilligt und daher aufgehoben werde, was bei der Zurückweisung des Rechtsmittels gegen ein Grundurteil gerade nicht der Fall sei.

Zutreffend hat der BGH zudem darauf hingewiesen, dass eine andere Handhabung auch dem Sinn und Zweck von § 21 Abs. 1 RVG nach nicht erforderlich sei. Mit der Regelung solle die Mehrarbeit des Rechtsanwalts honoriert werden, da die Aufhebung eines Urteils und die Zurückverweisung des Rechtsstreits an die untere Instanz für den Anwalt eine neue umfangreiche Tätigkeit verursache. Durch die Bestätigung eines Grundurteils im Rechtsmittelverfahren werde ein solcher Mehraufwand aber gerade nicht verursacht, da die Zurückweisung des Rechtsmittels nicht zu einer neuen Verhandlung und neuer Beweiserhebung, sondern zur Fortsetzung des in der Regel während der Dauer des Rechtsmittelverfahrens vor dem Ausgangsgericht nicht weiter betriebenen Rechtsstreits führe.

Für die Durchführung des Betragsverfahrens nach Bestätigung eines vorausgegangenen Grundurteils durch das Rechtsmittelgericht falle in der Regel kein Mehraufwand an. Entscheidet das Ausgangsgericht durch Zwischenurteil über den Grund eines geltend gemachten Anspruchs, seien die zur abschließenden Entscheidung notwendige Verhandlung und Beweisaufnahme zur Höhe des Anspruchs zunächst unterblieben. Für die Tätigkeit des Rechtsanwalts mache es daher grds. keinen Unterschied, ob das Ausgangsgericht zunächst den Grund des geltend gemachten Anspruchs kläre und hiernach das Verfahren zum Betrag fortsetze, oder ob über eine nach Grund und Höhe streitige Forderung ohne die Zäsur durch ein Zwischenurteil über den Grund verhandelt und entschieden werde.

Aufgrund dieser überzeugenden Argumentation ist deshalb bei der (vollständigen) Bestätigung des Grundurteils nicht von einer Zurückverweisung i.S.d. § 21 Abs. 1 RVG auszugehen.

 

Beispiel 3

Es liegt eine Zivilsache wegen Schadensersatz vor. Es ergeht nach mündlicher Verhandlung zunächst Grundurteil. Gegen dieses Urteil wird vollumfänglich Berufung eingelegt. Diese wird nach mündlicher Verhandlung zurückgewiesen, das Grundurteil also bestätigt. Danach findet vor dem Ausgangsgericht das Betragsverfahren statt. Hier ergeht nach erneuter mündlicher Verhandlung Endurteil. Der Streitwert beträgt in der ersten Instanz sowie im Berufungsverfahren jeweils 30.000,00 EUR.

Es ist folgende Vergütung entstanden:

 
I. Erstinstanzliches Verfahren  
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV 1.241,50 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)  
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV 1.146,00 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)  
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 457,43 EUR
  Gesamt 2.864,93 EUR

 

 
II. Berufung gegen Grundurteil  
1. 1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV 1.528,00 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)  
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3202 VV 1.146,00 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)  
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 511,86 EUR
  Gesamt 3.205,86 EUR
  Gesamt I. + II. 6.070,79 EUR

Eine Zurückverweisung i.S.d. § 21 Abs. 1 RVG liegt nicht vor, da das Berufungsgericht das Grundurteil in vollem Umfang bestätigt hat. Für das weitere Betragsverfahren vor dem Ausgangsgericht können die bereits entstandenen Gebühren nicht nochmals geltend gemacht werden.

[4] BGH AGS 2004, 234 = RVGreport 2004, 273.

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