Die nach § 104 Abs. 3 S. 1 i.V.m. §§ 567 ff. ZPO statthafte, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Durch das Schreiben eines Rechtsanwalts, durch das der Schuldner zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung zur Zahlung aufgefordert wird, wird die Zwangsvollstreckung vorbereitet, weshalb eine 0,3-Vollstreckungsgebühr nach § 13 RVG i.V.m. Nr. 3309 VV ausgelöst wird (BGH, Beschl. v. 18.7.2003 – IXa ZB 146/03, juris Rn 9 [= AGS 2003, 561]).

Zu Unrecht hat das AG die Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung als nicht notwendig i.S.d. § 788 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 91 ZPO eingeschätzt und deshalb die der Höhe nach unstreitige Gebühr von 331,89 EUR als nicht erstattungsfähig angesehen. Dabei kann zunächst entgegen der Auffassung des AG nicht auf die parteiliche Verlängerung der Zahlungsfrist v. 15.10.2015 abgestellt werden. Denn zu diesem Zeitpunkt waren die Kosten für das Schreiben v. 13.10.2015 bereits angefallen. Die Verlängerung der Zahlungsfrist diente nur der Vermeidung weiterer Zwangsvollstreckungsmaßnahmen.

Die Notwendigkeit von Vollstreckungshandlungen, die Kosten für den Schuldner auslösen, bestimmt sich nach dem Standpunkt des Gläubigers zum Zeitpunkt ihrer Vornahme. Wesentlich dabei ist, ob der Gläubiger bei verständiger Würdigung der Sachlage die Maßnahme zur Durchsetzung seines titulierten Anspruchs objektiv für erforderlich halten durfte, wobei dem Schuldner eine nach den jeweiligen Umständen angemessene Frist zur freiwilligen Leistung einzuräumen ist (BGH, a.a.O., juris Rn 11).

Die durch eine Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung ausgelöste Vollstreckungsgebühr ist dann gem. § 788 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 91 ZPO erstattungsfähig, wenn der Gläubiger im Besitz einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels ist, die Fälligkeit der titulierten Forderung eingetreten ist und dem Schuldner eine angemessene Frist zur freiwilligen Erfüllung der Forderung eingeräumt war. Der Erstattungsfähigkeit der anwaltlichen Vollstreckungsgebühr steht nicht entgegen, dass der Rechtsanwalt nicht zuvor die Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels bewirkt hatte. Vielmehr ist sie bereits dann zu bejahen, wenn der Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung im Besitz hat und dem Schuldner vor der anwaltlichen Zahlungsaufforderung ein den Umständen nach angemessener Zeitraum zur freiwilligen Erfüllung zur Verfügung stand. Denn auch die Kosten eines im Zeitpunkt der Zahlungsaufforderung an ihrer Stelle erteilten Vollstreckungsauftrages wären unter diesen Voraussetzungen als notwendig anzuerkennen, weil der Gläubiger den Gerichtsvollzieher gem. § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO mit der Zustellung und der Pfändung gleichzeitig beauftragen kann und der Schuldner zusätzlich mit den dadurch entstehenden Kosten belastet wird. Demgegenüber stellt sich ein Zahlungsaufforderungsschreiben mit Vollstreckungsandrohung als eine den Schuldner schonendere Maßnahme dar (BGH, a.a.O., juris Rn 12 f.; so auch schon OLG Saarbrücken JurBüro 1982, 242).

Ausgehend von diesen Grundsätzen handelt es sich im Streitfall bei der für die Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung v. 13.10.2015 entstandenen Vollstreckungsgebühr um notwendige und damit erstattungsfähige Kosten der Zwangsvollstreckung (§ 788 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 91 ZPO). An diesem Tag war die Gläubigerin im Besitz einer vollstreckbaren Ausfertigung des Vergleichs und die Fälligkeit des Vergleichsbetrages war nach Ablauf der Widerrufsfrist, die bis 20.7.2015 lief, eingetreten. Der Schuldner erhielt hiervon durch Mitteilung des LG Saarbrücken v. 28.8.2015 Kenntnis. Die Gläubigerin hat die schutzwürdigen Belange des Schuldners gewahrt und seit der Mitteilung des LG eine Frist von mehr als einem Monat zur freiwilligen Erfüllung der titulierten Forderung verstreichen lassen. Angemessen ist in der Regel eine Frist von zwei Wochen (BGH a.a.O., juris Rn 14), sodass im Streitfall eine voreilige Vollstreckungsmaßnahme nicht vorlag. Da der Schuldner innerhalb einer angemessenen Zahlungsfrist ohne Angabe von Gründen seiner Zahlungsverpflichtung nicht nachgekommen war, durfte die Gläubigerin Vollstreckungsmaßnahmen für erforderlich halten. Unrichtig ist in diesem Zusammenhang die Auffassung des Schuldners, ohne Kenntnis einer Bankverbindung der Gläubigerin und ohne Empfangsvollmacht von deren Verfahrensbevollmächtigten sei eine Zahlung unmöglich gewesen. Die Gläubigerin verweist zu Recht darauf, dass die Leistung an sie auch durch Übermittlung eines Verrechnungsschecks hätte erfolgen können. Auch eine Nachfrage, wohin das Geld gezahlt werden soll, hätte sich angeboten, um nach Ablauf der Wartefrist Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu vermeiden.

Die Beschwerde musste deshalb Erfolg haben. Der beantragte Kostenfestsetzungsbeschluss war somit zu erlassen. Die angefallenen Zustellungskosten von 3,50 EUR waren von Amts wegen hinzuzusetzen.

AGS 11/2019, S. 543 - 544

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