RVG § 11 Abs. 2 S. 2

Leitsatz

  1. Ein Vergütungsfestsetzungsantrag kann nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass der Antragsteller keine Anschrift des Antragsgegners beigebracht habe, an der ein Anhörungsschreiben hätte zugestellt werden können.
  2. Aus der in § 11 Abs. 2 S. 2 RVG normierten Anhörungspflicht folgt für das Gericht, dass es eine Anschrift zu ermitteln hat, an der dem Antragsgegner das Anhörungsschreiben zugestellt werden kann. Es ist in einem Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht Aufgabe des Antragstellers, bei unbekanntem Aufenthalt des Antragsgegners Ermittlungen zu dessen Aufenthalt anzustellen.

VG Hannover, Beschl. v. 13.8.2018 – 12 A 2918/15

1 Sachverhalt

Der Antragsteller hatte für den Antragsgegner eine asylrechtliche Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Nachdem das Gericht den Eilantrag des Antragsgegners abgelehnt hatte, stellte der Antragsteller zunächst im Eilverfahren einen Vergütungsfestsetzungsantrag und bat um eine Zustellung der Festsetzung an die Adresse des Bruders des Antragsgegners. Auf Nachfrage erklärte er, dass der Antragsgegner bei seinem Bruder wohne.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle versuchte daraufhin, den Antragsgegner unter der angegebenen Adresse zum Antrag des Antragstellers anzuhören. Das Schreiben kam als unzustellbar zurück, ausweislich der Eintragungen auf der Zustellungsurkunde war der Antragsgegner unbekannt verzogen. Der Antragsteller beantragte sodann die öffentliche Zustellung. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle forderte ihn daraufhin auf, eine neue Anschrift des Antragsgegners zu ermitteln (beispielsweise durch eine Einwohnermeldeamtsanfrage) und einen entsprechenden Nachweis einzureichen.

Im Weiteren stellte das Gericht das Klageverfahren nach Nichtbetreiben des Verfahrens trotz Fristsetzung ein.

Daraufhin beantragte der Antragsteller auch die Vergütungsfestsetzung im Klageverfahren. Zugleich gab er ein Dorf im Kosovo an, an das – bezogen auf Klage- und Eilverfahren – zugestellt werden solle. Er ginge davon aus, dass der Antragsgegner dorthin zurückgekehrt sei, denn dieser habe in seiner Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angegeben, dort in der Vergangenheit zusammen mit seinen Eltern und seiner Schwester in einem eigenen Haus gelebt zu haben. Im Kosovo gebe es in den Dörfern weder Straßennamen noch Hausnummern.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle wies den Antragsteller in Folge darauf hin, dass er für eine Zustellung im Kosovo 200,00 EUR Vorschuss leisten müsse. Der Antragsteller erklärte sodann, dass die Zustellungen an den Bruder des Antragsgegners erfolgen sollten.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle wies die Vergütungsfestsetzungsanträge des Antragstellers für das Eilverfahren und für das Klageverfahren zurück. Zur Begründung führte er aus, Voraussetzung für eine Vergütungsfestsetzung sei, dass dem Antragsgegner rechtliches Gehör gewährt werde. Eine solche Anhörung habe aber mangels einer zustellungsfähigen Anschrift nicht erfolgen können. Da es sich um ein Verfahren handele, dass für bzw. auf Betreiben des Antragstellers durchgeführt werde, sei der Antragsteller gehalten, die zur Durchführung notwendigen Angaben zu machen. Der Antragsteller habe jedoch keine zustellungsfähige Anschrift des Antragsgegners beigebracht.

Der Antragsteller hat daraufhin die Entscheidung des Gerichts beantragt.

2 Aus den Gründen

Die Ablehnung des Vergütungsfestsetzungsantrags des Antragstellers ist aufzuheben und das Vergütungsfestsetzungsverfahren ist fortzuführen.

1. Die Ablehnung des Antrags des Antragstellers auf Vergütungsfestsetzung ist rechtsfehlerhaft.

Gem. § 11 Abs. 1 S. 1 RVG wird die gesetzliche Vergütung auf Antrag des Rechtsanwalts durch das Gericht des ersten Rechtszugs festgesetzt. Gem. § 11 Abs. 2 S. 2 RVG sind die Beteiligten vor der Festsetzung zu hören.

Dahinstehen kann insoweit, ob ein Vergütungsfestsetzungsantrag ohne eine Anhörung des Antragsgegners abgelehnt werden kann, wenn ein Anspruch auf Vergütungsfestsetzung schon nach den eigenen Angaben des Antragstellers zu verneinen ist. Denn ein solcher Fall liegt hier ersichtlich nicht vor.

Der Antrag des Antragstellers auf Vergütungsfestsetzung konnte nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass der Antragsteller keine Anschrift des Antragsgegners beigebracht hat, an der ein Anhörungsschreiben hätte zugestellt werden können.

Zwar gilt in Vergütungsfestsetzungsverfahren der Beibringungsgrundsatz und muss der Antragsteller die Tatsachen vortragen, aus denen sich sein Anspruch herleitet und glaubhaft machen, dass die geltend gemachten Gebühren und Auslagen angefallen sind (Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl., 2017, § 11 Rn 205, 207). Zu den anspruchsbegründenden Tatsachen gehört jedoch nicht die aktuelle Anschrift des Antragsgegners. Das ergibt sich aus Folgendem:

§ 11 Abs. 2 S. 2 RVG sieht für das Vergütungsfestsetzungsverfahren vor, dass die Beteiligten vor einer Entscheidung zu hören sind. Diese Aufgabe obliegt als Ausdruck der verfassungsrechtlichen Garantie des Art. 10...

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