1. Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat der an sich nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 8 S. 1 RVG zuständige Einzelrichter die Sache zur Entscheidung auf den Senat übertragen (§ 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 S. 2 RVG). Das Inkrafttreten des 2. KostRMoG zum 1.8.2013 einschließlich der damit erfolgten Änderung der Nr. 3106 VV hat an der grundsätzlichen Bedeutung nichts geändert, da noch eine nicht unerhebliche Anzahl von Verfahren anhängig ist, für die das RVG in seiner bisherigen Fassung anwendbar bleibt. Insbesondere die Rechtsfrage, ob eine sog. fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 Nr. 1 VV in der bis 31.7.2013 geltenden Fassung auch dann entsteht, wenn in einem Verfahren, in dem Betragsrahmengebühren entstehen, ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird, ist daher über den Einzelfall hinaus weiter klärungsbedürftig.

2. Die Beschwerde ist zulässig. Das SG hat sie in seinem Beschluss gem. § 33 Abs. 3 S. 2 RVG zugelassen. Hieran ist der Senat gebunden (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 4 S. 4 RVG), ohne dass es auf das Überschreiten des Beschwerdewertes von 200,00 EUR (§ 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG) ankommt. Die Beschwerde ist auch fristgerecht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 3 RVG eingelegt worden.

3. Die Beschwerde ist begründet. Das SG hat die dem Beschwerdegegner aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen zu hoch festgesetzt.

Der im Wege der PKH beigeordnete Rechtsanwalt erhält die gesetzliche Vergütung in Verfahren vor Gerichten eines Landes aus der Staatskasse (§ 45 Abs. 1 RVG). Der Vergütungsanspruch bestimmt sich nach den Beschlüssen, durch die PKH bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet wurde (§ 48 Abs. 1 S. 1 RVG). Für die Höhe der Vergütung ist gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG auf das VV zurückzugreifen, wobei in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen – wie hier – das GKG nicht anzuwenden ist (§ 183 SGG), Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 Abs. 1 S. 1 RVG).

a) Die hier allein streitige Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV (in der bis 31.7.2013 geltenden, hier weiter anzuwendenden Fassung, vgl. § 60 Abs. 1 RVG) ist nicht entstanden. Die entsprechende Gebührenbestimmung des Beschwerdeführers auf die Terminsmittelgebühr war daher unbillig und ist von der Urkundsbeamtin des SG zu Recht abgesetzt worden.

Nach Vorbem. 3 Abs. 3 VV (in der bis 31.7.2013 geltenden Fassung) entsteht die Terminsgebühr für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin oder die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins oder die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts. In Verfahren, in denen – wie hier – Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG), entsteht die Terminsgebühr auch, wenn

  in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden wird,
  nach § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden wird oder
  das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet.

Nicht vom ausdrücklichen Wortlaut des VV (in der bis 31.7.2013 geltenden Fassung) erfasst ist der Abschluss eines schriftlichen Vergleichs in Verfahren, in denen Betragsrahmengebühren entstehen. Zwar bestimmt Nr. 3104 Nr. 1 Alt. 2 VV, dass eine Terminsgebühr u.a. auch dann entsteht, wenn in Verfahren, für die mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Nr. 3104 VV gilt jedoch ausdrücklich nur, soweit in Nr. 3106 VV nichts anderes bestimmt ist. Dies ist hier für die streitige Konstellation der Fall, denn für Verfahren, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, hat Nr. 3106 VV die Regelung in Nr. 3104 Nr. 1 Alt. 2 VV gerade nicht übernommen.

Eine Schließung dieser Regelungslücke im Wege richterlicher Rechtsfortbildung ist nicht geboten. Zur Ausfüllung von Regelungslücken sind Gerichte in drei Konstellationen berufen (vgl. BSG, Urt. v. 7.10.2009 – B 11 AL 31/08 R, juris Rn 19):

  Bei Schweigen des Gesetzes, weil es der Gesetzgeber der Rechtsprechung überlassen wollte, das Recht in Detailfragen zu finden.
  Bei Schweigen des Gesetzes aufgrund eines Versehens oder Übersehens eines Tatbestandes.
  Bei Veränderung der Lebensverhältnisse nach Erlass des Gesetzes, die der Gesetzgeber deshalb noch nicht berücksichtigen konnte.

Die Voraussetzungen der hier allein in Betracht kommenden zweiten Variante sind nicht erfüllt. Es ist nicht ersichtlich, dass nach dem dem Gesetz zugrundeliegenden Regelungsplan eine über eine bloße Unvollständigkeit hinausgehende, also planwidrige, Regelungslücke vorliegt, die über eine analoge Anwendung der Nr. 3104 Nr. 1 Alt. 2 VV geschlossen werden müsste. Der Senat hält insoweit an der Rspr. des vormaligen Kostensenats des Sächsischen LSG (vgl. Beschl. v. 9.2.2010 – L 6 AS 438/10 B KO) im Ergebnis fest. Der Senat sieht sich weiterhin g...

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