Ein Rechtsanwalt war vor dem LG Potsdam u.a. wegen versuchter Gebührenüberhöhung angeklagt worden. Noch vor Anklageerhebung erbat die Staatsanwaltschaft Potsdam die Rechtsanwaltskammer des Landes Brandenburg um eine gutachtliche Stellungnahme zu folgenden Fragen:

Zitat

Den Vortrag des Beschuldigten im zivilrechtlichen Verfahren als zutreffend unterstellt: Wie ist die Leistung des Beschuldigten einzustufen (Beratungstätigkeit i.S.v. § 34 Abs. 1 RVG)? Oder?

Können anhand des zeitl. Ablaufs bzw. des feststehenden Sachverhalts Anknüpfungstatsachen benannt werden, anhand derer dem Beschuldigten nachzuweisen ist, dass er wusste, dass es sich bei der Beratung zur Scheidungsfolgevereinbarung um dieselbe Angelegenheit i.S.v. § 16 Nr. 4 RVG gehandelt hat und er diese nicht als neue Angelegenheit i.S.v. § 17 RVG werten konnte?

Unter Annahme, der Beschuldigte sei irrtümlich davon ausgegangen, es habe sich bei der Beratung um eine neue Angelegenheit i.S.v. § 17 RVG gehandelt: Hat der Beschuldigte die von ihm erbrachte Leistung in der Kostennote vom 10.11.2018 (BI. 24 d.A.) – insbesondere hinsichtlich der in Rechnung gestellten Geschäftsgebühr VV 2400 – 1,0 – insoweit zutreffend in Rechnung gestellt? Auf die diesbezüglichen Ausführungen im zivilrechtlichen Urteil wird ausdrücklich verwiesen.

Rechtsanwältin X als Vorstandsmitglied der Rechtsanwaltskammer des Landes Brandenburg gab hierzu unter dem 3.3.2020 eine Stellungnahme gem. § 73 Abs. 2 Nr. 8 BRAO ab.

Einige Zeit später beantragte die Staatsanwaltschaft Potsdam bei dem zuständigen AG den Erlass eines Strafbefehls gegen den Rechtsanwalt wegen versuchter Gebührenüberhebung und Beleidigung. Dieser wurde am 15.6.2020 erlassen. Als Sachverständige wurde Rechtsanwältin X benannt.

Auf den gegen diesen Strafbefehl fristgerecht eingelegten Einspruch des Rechtsanwalts hat das AG einen Termin zur Hauptverhandlung anberaumt und die Rechtsanwältin X als Sachverständige geladen. In dem Hauptverhandlungstermin vom 7.7.2021 erstattete die Rechtsanwältin ihr Gutachten. Dabei äußerte sich die Rechtsanwältin nicht nur zur Höhe der geforderten Vergütung, sondern auch unter Würdigung der Zeugenaussagen zum Zustandekommen eines Beratungsvertrages.

Das AG verurteilte den Rechtsanwalt zu einer Geldstrafe. Rechtsanwältin X wurde für ihre Teilnahme an der Hauptverhandlung aus der Landeskasse mit einem Betrag i.H.v. 736,68 EUR entschädigt.

Auf die Berufung des Angeklagten beraumte das LG Potsdam einen Hauptverhandlungstermin auf den 7.4.2022 an, zu dem die Rechtsanwältin X wiederum als Sachverständige geladen wurde. Das LG Potsdam hat den Rechtsanwalt freigesprochen. Für die Wahrnehmung der Berufungshauptverhandlung hat Rechtsanwältin X als Honorar (Stundensatz 105,00 EUR) und Fahrtkosten einen Betrag i.H.v. insgesamt 947,76 EUR geltend gemacht. Die Vorsitzende der Strafkammer hat den Beleg über die Auszahlung von Sachverständigenvergütung mit dem Vermerk unterzeichnet, die Sachverständige sei bestimmungsgemäß zu vergüten und die getätigten Angaben träfen zu.

Die Anweisungsbeamtin des LG Potsdam hat die Sache zwecks Prüfung an die Bezirksrevisorin übersandt. Diese hat eine Vergütungspflicht der Landeskasse unter Hinweis auf die Regelungen in §§ 73 Abs. 2 Nr. 8 und 177 Abs. 2 Nr. 5 BRAO nicht als gegeben angesehen. Die Rechtsanwaltskammer sei gesetzlich verpflichtet, diese Gutachten kostenlos zu erstatten.

Daraufhin hat die Vorsitzende der Berufungskammer unter dem 20.12.2022 entschieden, dass Rechtsanwältin X antragsgemäß zu vergüten sei. Gegen diesen Beschluss hat die Bezirksrevisorin Beschwerde eingelegt, der der Vorsitzende der Berufungskammer nicht abgeholfen hat.

Das OLG Brandenburg hat die Beschwerde der Bezirksrevisorin zurückgewiesen.

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