Zur Kosten-/Auslagenentscheidung führt der BGH aus: Die Kosten des Verfahrens fallen der Staatskasse zur Last (§ 467 Abs. 1 StPO). Der Senat sehe jedoch nach § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO davon ab, ihr die notwendigen Auslagen des Angeklagten aufzuerlegen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien gegeben. Im Revisionsverfahren sei dafür maßgeblich, ob das Rechtsmittel des Angeklagten – ohne das Verfahrenshindernis – erfolglos geblieben wäre (vgl. BGH, Beschl. v. 17.9.2020 – 1 StR 576/18 und NStZ-RR 2018, 294; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., 2023, § 467 Rn 16a). Dies sei hier der Fall, weil der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen wäre (vgl. BGH, Besch. v. 17.9.2020 – 1 StR 576/18 u. v. 19.9.2019 – 3 StR 352/19; NStZ-RR 2014, 160).

Der Angeklagte, der vom 20.1.1942 bis zum 18.2.1945 als Wachmann im Konzentrationslager Sachsenhausen eingesetzt gewesen sei, werde nur deshalb nicht rechtskräftig verurteilt, weil mit seinem Tod ein Verfahrenshindernis eingetreten sei. Nach den vom BGH entwickelten Grundsätzen zur rechtlichen Bewertung der durch das nationalsozialistische Deutschland in Konzentrationslagern begangenen Mordtaten unter dem Gesichtspunkt der Beihilfe (vgl. BGHSt 61, 252 m.w.N.) hätte zumindest die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum Mord (§§ 211, 27 Abs. 1 StGB) revisionsgerichtlicher Überprüfung standgehalten. Das gelte jedenfalls hinsichtlich der dem Angeklagten insoweit vom LG zugerechneten Tötung von mindestens 300 sowjetischen Kriegsgefangenen im Rahmen der von Juli bis September 1942 durchgeführten "Aktion 14 f 14" und der Tötung von mindestens 2.600 Lagerinsassen bei der "Aktion Alarmstufe Scharnhorst" in der ersten Februarhälfte des Jahres 1945 unmittelbar vor der Räumung des Konzentrationslagers.

Abweichend von § 467 Abs. 1 StPO eröffne § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO die Möglichkeit, nach billigem Ermessen von der Erstattung der notwendigen Auslagen abzusehen. Bei der Entscheidung sei dem Ausnahmecharakter der Vorschrift Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG NJW 2017, 2459; NStZ-RR 2016, 159). Besondere Bedeutung habe dabei der Umstand, ob das Verfahrenshindernis bereits vor Anklage bestanden habe oder erst – wie hier – im Laufe des Verfahrens eingetreten sei (vgl. BVerfG, a.a.O.; KG, StV 1991, 479; KK-StPO/Gieg, 9. Aufl., 2022, § 467 Rn 10b). Während in der erstgenannten Konstellation eine Freistellung der Staatskasse in aller Regel ausscheide, kommt dies anderenfalls etwa dann in Betracht, wenn der Angeklagte das Verfahrenshindernis selbst vorwerfbar herbeigeführt oder aber verschwiegen habe (vgl. MüKo-StPO/Grommes, 2. Aufl., 2023, § 467 Rn 24; KK-StPO/Gieg, a.a.O.; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 467 Rn 18). Jedoch sei der Anwendungsbereich der Norm nicht darauf beschränkt. Dies ergebe sich nicht nur aus ihrem weiter gefassten Wortlaut, sondern auch aus ihrer Entstehungsgeschichte. Die Nr. 2 des § 467 Abs. 3 S. 2 StPO sei erst auf Betreiben des Bundesrats nach Einigung im Vermittlungsausschuss eingefügt worden (vgl. dazu ausführlich LR/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 467 Entstehungsgeschichte und Rn 50). Dabei sei insbesondere auf NS-Gewaltverbrechen hingewiesen worden (vgl. MüKo-StPO/Grommes, a.a.O., Rn 19). In den Gesetzesmaterialien werde betont, dass es unbillig sei, wenn vor allem in derartigen Fällen "der Staat einem Verbrecher, der nur aus rein formellen Gründen nicht verurteilt werden kann, auch noch die Anwälte bezahlt" (vgl. BT-Plenarprotokoll 05/173, S. 9250).

So verhalte es sich hier. Das Rechtsmittel des Angeklagten wäre – allenfalls mit Ausnahme einer geringfügigen Korrektur des Schuldspruchs im Hinblick auf das tateinheitlich abgeurteilte Delikt – erfolglos geblieben. Diese Feststellung sei dem Senat im Revisionsverfahren, zumal nach Ablauf sämtlicher Stellungnahmefristen, ohne Verstoß gegen die Unschuldsvermutung aus Art. 6 Abs. 2 EMRK möglich (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 467 Rn 16a; MüKo-StPO/Grommes, a.a.O., Rn 20). Gerade mit Blick auf das Tatbild würde es auf Unverständnis stoßen, den Angeklagten von seinen notwendigen Auslagen freizustellen. Angesichts dieses Ergebnisses erübrige sich die sonst gebotene kritische Auseinandersetzung mit den rechtlichen Ausführungen im Urt. des BGH v. 20.2.1969 (2 StR 280/67, NJW 1969, 2056 [1. Ausschwitz-Prozess]).

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