1. Dauerstreit Mietkosten

Sowohl bei der Berechnung der Bedürftigkeit für die PKH/VKH, als auch z.B. im Rahmen der Beratungshilfe ist das Thema "Wohnkosten" immer wieder ein Streit- und Diskussionspunkt. Dabei kann die Frage, ob mit in der Wohnung lebende Angehörige bei der Aufteilung der Wohnkosten zu berücksichtigen sind und in welcher Höhe, durchaus "entscheidend" für die Frage der Bewilligung einer PKH/VKH aber insbesondere der Beratungshilfe sein.

2. Grundsatz der Abzugsfähigkeit

Grds. gehören die Wohnkosten zu den Abzügen gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 ZPO. Danach sind die Kosten der Unterkunft und Heizung in voller tatsächlicher Höhe einschließlich aller weiterer umlagefähiger Mietnebenkostenabzusetzen (= Bruttomiete).

3. Ausnahme der Abzugsfähigkeit: Missverhältnis zu den wirtschaftlichen Verhältnissen

Sie sind jedoch insoweit nicht in Abzug zu bringen, wenn sie in einem auffälligen Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen der Partei oder zum örtlichen Wohnungsmarkt stehen. Dies wird für den Fall bejaht, wenn sie an dem gesamten Lebenszuschnitt des Rechtsuchenden ohne nachvollziehbaren Grund außerordentlich erhöht sind.

 

Beispiel 1

Der Rechtsuchende X ist alleinstehend und bewohnt mit einem Einkommen von 3.000,00 EUR/Monat eine Penthouse-Wohnung von 150 qm, welche 2.000,00 EUR/Monat kostet.

Das Beispiel 1 zeigt, dass eine deutlich den eigenen Bedarf übersteigende "Mietausgabe" nicht zu Lasten der Allgemeinheit gehen darf, wenn es um die Frage der Bewilligung von PKH/VKH/BerH geht. Grds. ist jedoch auf den Einzelfall abzustellen, wie das Beispiel 2 zeigt.

 

Beispiel 2

Die Rechtsuchende Y bewohnt mit ihrem Einkommen von 3.000,00 EUR/Monat diese Penthouse-Wohnung zum denselben Preis. Zuvor hat sie hier zusammen mit ihrem Lebensgefährten gewohnt. Dieser verfügte über ein monatliches Einkommen von 5.000,00 EUR und trug anteilig die Miete. Nach häuslicher Gewalt erfolgte kurzfristig eine Trennung. Eine neue Wohnung war für die zurückbleibende Y angesichts der angespannten Wohnsituation nicht ad hoc zu finden.

Wie das Beispiel 2 zeigt, ist ein Bedürftiger nicht immer "schuld" an der Situation. Häufig rühren hohe Kosten auch aus anderen Situationen her und können nicht von heute auf morgen abgestellt werden.

4. Berechnung

Für die Frage der Angemessenheit, also ob die Miete insgesamt oder nur bis zu einer gewissen Höhe angesetzt werden kann, ist einerseits auf den Einzelfall, andererseits als Indiz auch auf die Lage "vor Ort" abzustellen. Hier können das örtliche Mietpreisniveau oder der Mietspiegel herangezogen werden. Dem Rechtsuchenden kann nicht abverlangt werden, in eine günstigere Wohnung umzuziehen. Aber grds. kann dann nicht alles "abgesetzt" werden, wenn ein Missverhältnis vorliegt.

5. Ab wann Missverhältnis?

Ein solches Missverhältnis kann vorliegen, wenn bei durchschnittlichem Einkommen die Unterkunftskosten mehr als die Hälfte des Nettoeinkommens betragen. Bei höheren Mieten vor Ort können jedoch auch mehr als 50 % absetzbar sein. Eine andere Meinung sieht 1/3 des Nettoeinkommens als üblich und vertretbar an. Auch ist denkbar, die Beträge nach der sozialrechtlichen Vorschrift des § 22 SGB II zzgl. eines nach dem Lebensstandard der Partei zu bemessenden prozentualen Aufschlags zu beurteilen.

Grds. verneint wird die Abzugsfähigkeit, wenn die aufgewendeten Kosten als offensichtlicher Luxus erscheinen. Jemand mit höherem Einkommen kann dabei aber selbstredend aufwändiger wohnen als jemand mit geringerem Einkommen. Ob ein Luxus vorliegt, ist nach den vorliegenden Gesamtumständen zu beurteilen.

6. Abzugsfähige Posten

Die Kosten der Unterkunft umfassen dabei den tatsächlich gezahlten Mietzins und die Mietnebenkosten einschließlich vereinbarter Umlagen für verbrauchsunabhängige Betriebskosten und öffentlicher Abgaben. Dies sind z.B. Kosten für Straßenreinigung, Kanalgebühren, Müllabfuhr, Grundsteuer, Schornsteinreinigung, Abgasanlagenüberwachung, Aufzug (Betrieb und Wartung), Gebäudeversicherung, Gemeinschaftsantenne, Hausreinigung, Garten- und Hofpflege, Ungezieferbekämpfung, Hausmeister, Hausstrom für Treppenhaus/Lift etc. Die Kosten für eine Garage fallen nicht unter die Unterkunftskosten. Die Kosten für Strom und Gas zum Kochen gehören nach h.M. nicht hierzu, sie gehören zur allgemeinen Lebenshaltung und werden durch die Freibeträge ausgeglichen.

7. Aufteilung bei mehreren Bewohnern

Wenn mehrere Personen mit eigenem Einkommen in der Wohnung (im Familienverbund – insbesondere Kinder mit eigenem Einkommen – oder mit Dritten) leben, kann der Rechtsuchende nicht die volle Miete als Abzugsposten beanspruchen. Streitig – wie die Entscheidung des OLG Braunschweig zeigt – ist dann meist die entsprechende Aufteilung. Gibt es unter den Bewohnern keine nachvollziehbaren Absprachen (denkbar bspw. bei Studenten), sind die Kosten grds. nach Kopfteilen im Zusammenhang mit den jeweiligen Einkommen aufzuteilen, minderjährige Kinder werden nicht mitgerechnet (OLG Brandenburg, Beschl. v. 13.11.2020 – 13 UF 128/20; OLG Köln FamRZ 2018, 1099 (...

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