Die Beschränkung "nur einmal" in der Anm. 1 ist aber nicht verfahrensbezogen zu verstehen mit der Folge, dass die Grundgebühr im Verfahren überhaupt nur einmal entstehen könnte. Sie ist vielmehr nur personenbezogen einmalig zu verstehen. Das bedeutet, dass die Grundgebühr im Verfahren so oft entstehen kann, wie sich unterschiedliche Verteidiger in die Sache einarbeiten.[34] Die Formulierung "nur einmal" in der Nr. 4100 VV war wegen der Regelung in § 17 Nr. 1 RVG erforderlich, da der Rechtsanwalt danach sonst in jedem Rechtszug eine Grundgebühr hätte fordern können. Die Grundgebühr Nr. 4100 VV entsteht allerdings in der Person desselben Verteidigers dann mehrmals, wenn ein Fall des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG vorliegt, wenn also ein erledigtes Strafverfahren nach Ablauf von zwei Kalenderjahren wieder aufgenommen wird.[35]

Die Frage, ob die Grundgebühr Nr. 4100 VV überhaupt entstanden ist, darf nicht – was häufig in der Rspr. aber leider der Fall ist – mit der Frage verwechselt werden, ob der Angeklagte nach einem Anwaltswechsel die bei mehreren von ihm beauftragten Verteidigern entstandenen Grundgebühren auch erstattet verlangen kann. Das ist nur der Fall, wenn der Anwaltswechsel notwendig i.S.d. § 464a Abs. 2 StPO, § 91 Abs. 2 ZPO gewesen ist. Nach § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO sind die Kosten mehrerer Rechtsanwälte nämlich nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalt ein Wechsel eintreten musste.[36]

 

Beispiel 3

Dem Beschuldigten B wird ein Diebstahl zur Last gelegt. Er wird beim AG von Rechtsanwalt R 1 verteidigt. Nachdem B vom AG verurteilt worden ist, beauftragt er Rechtsanwalt R 2 mit der Einlegung und Durchführung des Berufungsverfahrens. Die Berufung hat keinen Erfolg. B sucht sich nun noch einen weiteren Verteidiger Rechtsanwalt R 3, der ihn im Revisionsverfahren vertritt.

Sowohl Rechtsanwalt R 1, als auch Rechtsanwälte R 2 und auch R 3 erhalten jeweils die Grundgebühr, da diese nicht verfahrensbezogen nur einmal entsteht, sondern personenbezogen.

 

Beispiel 4

Der Angeklagte A wird vom AG wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wird. Auf seine Berufung wird das Urteil dahingehend abgeändert, dass die Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Es ergeht eine für den Angeklagten positive Kostengrundentscheidung.[37]

Beim AG ist der Angeklagte von Rechtsanwalt P als Pflichtverteidiger vertreten worden, im Berufungsverfahren trat ausschließlich Rechtsanwalt W als Wahlverteidiger auf, die Beiordnung des Rechtsanwalt P hat das LG zurückgenommen. Im Kostenfestsetzungsverfahren hat das AG für Rechtsanwalt W u.a. die Grundgebühr nicht festgesetzt.

Es ist sowohl bei Rechtsanwalt P als auch bei Rechtsanwalt W eine Grundgebühr Nr. 4100 VV entstanden. Bei dieser Fallgestaltung kann die Festsetzung der Grundgebühr (auch) für Rechtsanwalt W aber nur verlangt werden, wenn in der Person des Verteidigers ein Wechsel eintreten musste, dessen Ursache nicht in der Sphäre des Angeklagten gelegen hat.[38]

[34] A.A. offenbar KG JurBüro 2005, 536 = AGS 2006, 177; RVGreport 2007, 108, jew. betreffend "Terminvertreter"; OLG Celle RVGreport 2007, 71; OLG Hamm RVGreport 2006, 230 = AGS 2007, 37; RVGreport 2007, 108; LG Kleve RVGreport 2012, 31.
[35] So auch AnwK-RVG/N. Schneider, a.a.O., VV 4100–4101 Rn 12; vgl. aber LG München I AGS 2013, 406 = RVGreport 2013, 346.
[36] Vgl. Burhoff/Volpert/Volpert, a.a.O., Teil A Rn 1406 ff. m.w.N.; zur sog. kostenneutralen "Beiordnung" Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Teil A Rn 972 ff.
[38] LG Kleve, a.a.O.; vgl. Burhoff/Volpert/Volpert, a.a.O., Teil A Rn 1408 ff.

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