BGB § 823 Abs. 2; BRAO § 42a Abs. 5 S. 2

Leitsatz

§ 43a Abs. 5 S. 2 BRAO ist kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB zugunsten des Rechtsschutzversicherers.

BGH, Urt. v. 23.7.2019 – VI ZR 307/18

1 Sachverhalt

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Erstattung eines Zinsschadens und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch.

Die Klägerin war der Rechtsschutzversicherer des Mandanten R., den die Beklagte in einer Kapitalanlageangelegenheit rechtlich vertrat. Die Klägerin erteilte R. jeweils Deckungszusagen für das Klage-, das Berufungs- und das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren. Sie zahlte Gerichtskosten sowie an die Beklagte insgesamt 6.206,41 EUR. Mit Urteil d. BGH v. 10.7.2012 obsiegte R.; dem Prozessgegner wurden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Dies wurde der Klägerin im August 2012 mitgeteilt. Auf die Kostenfestsetzungsbeschlüsse des LG v. 15.10.2012 zahlte der Prozessgegner auf das Konto der Beklagten Anfang November 2012 insgesamt 7.664,70 EUR zuzüglich 317,84 EUR Zinsen. Die Beklagte überwies die Summe (7.982,54 EUR) Ende November 2012 an R.

Im Juni 2015 bat die Klägerin die Beklagte um Mitteilung des Verfahrensstandes. Die Beklagte unterrichtete die Klägerin daraufhin über die Überweisung an R. Auf eine Mahnung der Klägerin gegenüber der Beklagten zahlte R. im August 2015 an die Klägerin insgesamt 7.982,54 EUR.

Die Klägerin hat von der Beklagten Zinszahlungen i.H.v. 1.081,16 EUR verlangt. Sie meint, die Beklagte hätte die Zahlungen des Prozessgegners auf die Kostenfestsetzungsbeschlüsse spätestens am 20.11.2012 an die Klägerin weiterleiten müssen, sodass ab diesem Zeitpunkt bis zum Zahlungseingang im August 2015 Zinsen aufgelaufen seien.

Das AG hat die Klage abgewiesen, das LG die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

2 Aus den Gründen

I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, vertragliche Ansprüche, auch aus gem. § 86 VVG übergegangenem Recht, auf Ersatz des Verzögerungsschadens bestünden nicht, weil die Beklagte die Zahlungen des Prozessgegners an R. überwiesen habe, ohne in Schuldnerverzug zu geraten. Es bestehe auch kein Anspruch aus § 823 Abs. 2, § 849 BGB i.V.m. § 43a Abs. 5 BRAO, § 4 Abs. 2 BORA. Bei den Vorschriften der § 43a Abs. 5 BRAO, § 4 Abs. 2 BORA handle es sich nicht um Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der Klägerin. Es könne dahinstehen, ob es sich um Schutzgesetze zugunsten des Mandanten handle, denn die Klägerin sei trotz des Anspruchsübergangs gem. § 86 VVG nicht in die Rechtsstellung des Mandanten R. gerückt. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Person des Empfangsberechtigten, an den der Rechtsanwalt gem. § 43a Abs. 5 S. 2 BRAO die Fremdgelder weiterzuleiten habe, ausschließlich von dem Mandanten bestimmt werde, der über die Auskehrung der dem Rechtsanwalt anvertrauten Vermögenswerte zu entscheiden habe. Aus dem Vorbringen der Parteien ergebe sich nicht, dass R. die Klägerin als Empfangsberechtigte benannt habe. Durch den Forderungsübergang gem. § 86 VVG werde ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und dem Rechtsschutzversicherer nicht begründet. Allein der Umstand, dass die Auskehrung nunmehr statt vom Mandanten vom Versicherer gefordert werden könne, intendiere keine besondere Schutzbedürftigkeit der Vermögensinteressen des Versicherers.

II. Die Revision ist unbegründet.

1. Im Ergebnis zutreffend und von der Revision nicht angegriffen ist die Auffassung des Berufungsgerichts, dass ein Anspruch auf Ersatz des Zinsschadens unter dem Gesichtspunkt des Verzugs (§§ 286, 288 BGB) nicht in Betracht kommt. Dies liegt allerdings entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil nicht daran, dass die Beklagte die Zahlungen des Prozessgegners auf die Kostenfestsetzungsbeschlüsse, ohne in Schuldnerverzug zu geraten, an R. überwiesen hat. Die Rechtsschutzversicherung ist eine Schadensversicherung, für die § 86 Abs. 1 S. 1 VVG gilt (Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 86 Rn 3). Nach dieser Regelung geht ein dem Versicherungsnehmer gegen einen Dritten zustehender Ersatzanspruch auf den Versicherer über, soweit dieser den Schaden ersetzt. Dem Versicherungsnehmer R. stand mit der Klageerhebung ein aufschiebend bedingter Kostenerstattungsanspruch gegen den Prozessgegner zu (vgl. BGH, Urt. v. 22.5.1992 – V ZR 108/91, NJW 1992, 2575, juris Rn 7). Indem die Klägerin auf die am Ende vom Prozessgegner zu tragenden Kosten des Rechtsstreits Zahlungen erbracht hat, hat sie R. i.S.d. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG einen "Schaden ersetzt." In diesem Umfang ist der Kostenerstattungsanspruch des R. gegen den unterlegenen Prozessgegner auf sie übergegangen. Damit stand der Klägerin ein Anspruch gegen die Beklagte auf Auskehrung der vom Prozessgegner auf die Kostenfestsetzungsbeschlüsse geleisteten Zahlungen zu. Es kann dahinstehen, ob es sich dabei um einen eigenen Anspruch der Klägerin aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 681 S. 2, 667 BGB) handelte, weil die Geltendmachung und Entgegennahme der Za...

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