Die zulässige Beschwerde, über die nach entsprechender Übertragung wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 S. 2 RVG der Senat entscheidet, ist begründet.

Das VG hat dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zu Unrecht die Terminsgebühr zugesprochen. Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV RVG vermittelt ihm keinen solchen Anspruch.

Nach Abs. 3 der Vorbem. 3 VV entsteht die Terminsgebühr sowohl für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen als auch für die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen und Besprechungen. Darüber hinaus regelt das Vergütungsverzeichnis Ausnahmetatbestände, in denen eine – fiktive – Terminsgebühr auch ohne die Wahrnehmung eines Termins gezahlt wird. Die Reichweite dieser Ausnahmetatbestände ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei kommt neben dem Wortlaut dem Sinn und Zweck der Ausnahme eine besondere Bedeutung zu.

Zu diesen Ausnahmetatbeständen gehört Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV. Danach entsteht die Terminsgebühr auch dann, wenn nach § 84 Abs. 1 S. 1 VwGO oder § 105 Abs. 1 S. 1 SGG durch Gerichtsbescheid entschieden wird und eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann. Die Vorschrift ist so zu verstehen, dass sie im Fall der Instanzbeendigung durch Gerichtsbescheid nur demjenigen Rechtsanwalt einen Anspruch auf die Terminsgebühr vermittelt, der im konkreten Fall einen zulässigen Antrag auf mündliche Verhandlung hätte stellen können (dazu unter 1.). Sie findet aber entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers und der Beklagten nicht nur dann Anwendung, wenn der Antrag auf mündliche Verhandlung der einzig mögliche Rechtsbehelf war (dazu unter 2.).

1. Der Anspruch auf die Terminsgebühr entsteht nur für denjenigen Rechtsanwalt, der zulässigerweise eine mündliche Verhandlung hätte beantragen können.

Nach dem Wortlaut der mit dem 2. KostRMoG im Jahr 2013 (BGBl I, 2586) insoweit ergänzten Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV entsteht die Gebühr nur, wenn eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann. Maßgeblich ist, dass die jeweilige Verfahrensordnung die Möglichkeit einer mündlichen Verhandlung vorsieht, ein dahingehender Antrag mithin zulässigerweise gestellt werden kann.

Keine eindeutige Antwort gibt der Wortlaut aber auf die Frage, ob die Terminsgebühr nur derjenige Prozessbevollmächtigte beanspruchen kann, dessen Partei das Recht auf mündliche Verhandlung zusteht (vgl. Mayer, in: Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl., 2018, VV 3104 Rn 38). Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers und – diesem folgend – dem VG ist zuzugeben, dass die Formulierung im Passiv auch so verstanden werden kann, dass ein Antragsrecht irgendeines Beteiligten ausreicht. Ein solches Normverständnis ist aber mit dem Sinn und Zweck der Ausnahmevorschrift nicht vereinbar.

Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV soll ebenso wie die übrigen Nummern des Absatzes verhindern, dass für den Anwalt ein gebührenrechtlicher Anreiz entsteht, auf der Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu bestehen. Vielmehr soll der Rechtsanwalt die Entscheidung, ob auf eine mündliche Verhandlung verzichtet werden kann, ohne Rücksicht auf finanzielle Erwägungen allein nach verfahrensbezogenen Gesichtspunkten treffen. Dies soll der Verfahrensbeschleunigung und zugleich der Entlastung der Gerichte dienen. Deshalb entsteht die Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV auch dann, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien oder Beteiligten oder gem. § 307 oder § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. In diesen Fällen hat es der Rechtsanwalt in der Hand, durch die (Nicht)Abgabe entsprechender Prozesserklärungen eine mündliche Verhandlung zu erzwingen. Ein entsprechender Verhaltensanreiz soll durch die gebührenrechtliche Privilegierung vermieden werden. Gleiches gilt im Fall der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 3 VV und auch für die hier maßgebliche Regelung in Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV.

Dieser Sinn und Zweck ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialien. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum 2. KostRMoG heißt es, die Entstehung der fiktiven Terminsgebühr solle konsequent auf die Fälle beschränkt werden, in denen der Anwalt durch sein Prozessverhalten eine mündliche Verhandlung erzwingen könne, weil nur in diesem Fall eine Steuerungswirkung notwendig sei (BR-Drucks 517/12, 428).

Das zugrunde gelegt kann sich nur derjenige Rechtsanwalt auf Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV berufen, dessen Partei einen zulässigen Antrag auf mündliche Verhandlung hätte stellen können. Denn nur in diesem Fall bedarf es der vom Gesetzgeber gewünschten und auch im objektiven Normzweck zum Ausdruck kommenden Steuerungswirkung, die die gebührenrechtliche Privilegierung entfalten soll. Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers keine Terminsgebühr verdient hat. Denn er hat in erster Instanz voll obsiegt, so dass ein Rechtsbehelf in Gestalt eines Antrags auf mündliche Verhandlung mangels Beschwer nic...

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