VwGO § 160; RVG VV Nrn. 2300, 3100

Leitsatz

  1. Ist der Rechtsanwalt bereits im Widerspruchsverfahren und im behördlichen Ausgangsverfahren für den Mandanten tätig gewesen, dann ist auf die Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren die Geschäftsgebühr für die Tätigkeit im Widerspruchsverfahren anzurechnen.
  2. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass eine Geschäftsgebühr für die Tätigkeit im behördlichen Ausgangsverfahren ebenfalls auf die Gebühr für das Widerspruchsverfahren angerechnet wird.
  3. Es findet eine doppelte Anrechnung statt.
  4. Im Kostenfestsetzungsantrag übersehene Kostenpositionen können im Erinnerungsverfahren nicht geltend gemacht werden.

VG Stuttgart, Beschl. v. 8.12.2017 – 11 K 13886/17 

1 Aus den Gründen

Die Erinnerung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat unter I. für die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Widerspruchsverfahren zu Recht eine 1,3fache Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV aus einem Streitwert von 3.750,00 EUR angesetzt. Der dafür eingesetzte Betrag von 327,80 EUR ist zwar geringfügig zu hoch, denn aus den einschlägigen Kostentabellen ergibt sich für die 1,3fache Gebühr nur ein Betrag von 327,60 EUR. Der Prozessbevollmächtigte hatte auch nur die Festsetzung dieses Betrages beantragt. Das geht allerdings zugunsten der Erinnerungsführer und wirkt sich im Ergebnis auch nicht auf den festgesetzten Erstattungsbetrag aus (vgl. dazu sogleich unten).

2. Die Urkundsbeamtin hat zu Recht die 1,3fache Geschäftsgebühr, welche für die Vertretung der Kläger im behördlichen Ausgangsverfahren angefallen ist, zur Hälfte (d.h. i.H.v. 0,65) auf die Gebühr für die Vertretung im Widerspruchsverfahren angerechnet. Diese Anrechnung ergibt sich aus der Vorbem. Nr. 2.3 Abs. 4 VV. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass der Aufwand der Vertretung im Widerspruchsverfahren für den Rechtsanwalt in aller Regel deutlich geringer ausfällt, wenn er die Mandanten schon im Ausgangsverfahren vertreten hat und sich nicht erst informieren muss. Dabei macht es keinen Unterschied, dass der Rechtsanwalt die Gebühr für das behördliche Ausgangsverfahren nicht im Kostenfestsetzungsverfahren bei Gericht geltend machen kann, sondern nur gegenüber den eigenen Mandanten oder gegenüber der Behörde, soweit ein materiell-rechtlicher Erstattungsanspruch besteht. Entscheidend für die Anrechnung ist allein, dass die Gebühr angefallen ist.

Der Anrechnungsbetrag wurde offensichtlich nach den gesetzlichen Vorschriften korrekt mit 163,80 EUR ermittelt und nicht etwa durch Halbierung der geringfügig zu hoch angesetzten Geschäftsgebühr für die Vertretung im behördlichen Ausgangsverfahren (s.o.). Die Zwischensumme nach Addition der Auslagenpauschale entspricht der Summe der jeweiligen gesetzlichen Gebühren. Der zugunsten der Erinnerungsführer geringfügig zu hohe Gebührenansatz (s.o.) ist an dieser Stelle nicht mehr berücksichtigt, wirkt sich also nicht auf das rechnerische Ergebnis aus.

3. Unter II. hat die Urkundsbeamtin für das gerichtliche Verfahren beim VG eine 1,3fache Gebühr gem. Nr. 3100 VV aus einem Streitwert von 3.750,00 EUR festgesetzt, was mit der Erinnerung nicht in Frage gestellt wird. Auch an dieser Stelle ist der angesetzte Betrag von 327,80 EUR zugunsten der Erinnerungsführer um 0,20 EUR höher als die gesetzliche Gebühr, was aber wiederum bei der Zwischensumme ausgeglichen wird. Denn diese ist zwar für die angesetzten Beträge rechnerisch falsch, entspricht aber der Summe der zutreffenden gesetzlichen Gebühren.

4. Die Anrechnung des Betrages von 163,80 EUR auf die Verfahrensgebühr ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Soweit der Rechtsanwalt seine Mandanten bereits vorgerichtlich wegen desselben Gegenstandes vertreten hat und dafür eine Geschäftsgebühr etwa nach Nr. 2300 VV entstanden ist, ordnet die Vorbem. 3 Abs. 4 VV an, dass diese Gebühr hälftig auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist. Sind vorgerichtlich mehrere Gebühren entstanden, ist nach S. 3 die zuletzt entstandene Gebühr für die Anrechnung maßgebend. Den Erinnerungsführern ist zuzugeben, dass damit eindeutig eine Anrechnung der Geschäftsgebühr für das Widerspruchsverfahren zu erfolgen hat, während der Anrechnungsbetrag im Kostenfestsetzungsbeschluss unter II. – wohl irrtümlich – als Gebühr für das behördliche Ausgangsverfahren bezeichnet wird. Die falsche Bezeichnung wirkt sich aber offensichtlich nicht auf das Ergebnis aus, weil beide Gebühren auf Nr. 2300 VV beruhen und im vorliegenden Fall auch beide 1,3fache Mittelgebühren aus demselben Streitwert von 3.750,00 EUR sind.

Die Erinnerungsführer sind zwar der Ansicht, dass als Geschäftsgebühr für das Widerspruchsverfahren nicht die 1,3fache Gebühr zur Hälfte angerechnet werden dürfe, sondern nur derjenige Betrag, der nach Anrechnung der Geschäftsgebühr für die Vertretung im behördlichen Ausgangsverfahren auf die Gebühr für das Widerspruchsverfahren noch verbleibt. Das ist aber unzutreffend. Im angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss wird ausdrücklich auf die Beispielsrechnung von Mayer (in: Gerold/Sch...

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