Die erstinstanzliche Terminsgebühr der Nr. 3104 VV ermäßigt sich in den Fällen der Nr. 3105 VV auf 0,5. Die Ermäßigung tritt ein, wenn

  die Gegenpartei nicht erschienen oder nicht ordnungsgemäß vertreten ist
 
  lediglich ein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils oder zur Prozess- und Sachleitung gestellt wird (Nr. 3105 VV) oder das Gericht von Amts wegen zur Prozess- und Sachleitung entscheidet (Anm. Abs. 1 zu Nr. 3105 VV).

Beide Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein. Ist nur eine der beiden Voraussetzungen gegeben, bleibt es bei der vollen 1,2-Gebühr. Daher ist es in mehreren Fällen möglich, dass es ungeachtet einer Säumnissituation bei einer vollen 1,2-Terminsgebühr bleibt.

I.

Erscheint der Gegner, erklärt er aber, dass er nicht auftrete, also dass er keinen Antrag stelle, bleibt es bei der vollen 1,2-Terminsgebühr. Die Vorschrift des § 333 ZPO (Nichtverhandeln trotz Erscheinens) ist nicht entsprechend anzuwenden (Anm. Abs. 3 zu Nr. 3105 VV).[1]

 

Beispiel

Der Anwalt des Beklagten erscheint im Termin zur mündlichen Verhandlung und erklärt, er trete heute nicht auf. Sodann ergeht gegen den Beklagten ein Versäumnisurteil.

Da die Reduzierung nach Nr. 3105 VV nur eintritt, wenn der Beklagte nicht erschienen und auch nicht ordnungsgemäß vertreten ist, fällt die volle 1,2-Terminsgebühr an.

II.

Wird vor Erlass eines Versäumnisurteils mit dem Gericht – wie hier im Fall des OLG Frankfurt – zunächst über die Zulässigkeit oder die Schlüssigkeit der Klage erörtert, greift die Ermäßigung ebenfalls nicht, da dann trotz Säumnis nicht "lediglich" ein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt wird, sondern mehr geschieht. Zweckmäßigerweise sollte sich die Erörterung aus dem Protokoll ergeben. Eine anwaltliche Versicherung, dass erörtert worden ist, reicht aber auch.[2]

 

Beispiel

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LG erscheint der Beklagte nicht. Das Gericht hat Bedenken gegen die Schlüssigkeit der Klage. Aufgrund der Erörterung mit dem Anwalt lässt sich das Gericht von der Schlüssigkeit der Klage überzeugen und erlässt ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten.

Es entsteht die volle 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV.

Das gleiche gilt auch, wenn vor Erlass des Versäumnisurteils über ein Ablehnungsgesuch des Gegners erörtert wird.[3]

Wird nur über einen Teil der Klageforderung(en) erörtert, dann ist § 15 Abs. 3 RVG zu beachten. Aus dem Teil der Klageforderung(en), aus dem erörtert wird, entsteht die volle 1,2-Terminsgebühr (Nr. 3104 VV). Aus dem Teil der Klageforderung(en), über den ohne vorherige Erörterung das Versäumnisurteil ergeht, entsteht dagegen nur die ermäßigte 0,5-Terminsgebühr (Nr. 3105 VV). Insgesamt darf allerdings nicht mehr als eine 1,2-Terminsgebühr (Nr. 3104 VV) aus dem Gesamtwert erhoben werden (§ 15 Abs. 3 RVG).

Das gilt auch, wenn nur über eine Nebenforderung erörtert wird. In diesem Fall entsteht aus dem Wert der Nebenforderung (§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. § 43 Abs. 2 GKG) die volle 1,2-Terminsgebühr (Nr. 3104 VV) und aus dem Wert der Hauptforderung die ermäßigte 0,5-Terminsgebühr (Nr. 3105 VV). Insgesamt darf allerdings nicht mehr als eine 1,2-Terminsgebühr aus dem Gesamtwert erhoben werden, wobei hier beim Gesamtwert das Additionsverbot des § 43 Abs. 1 GKG zu beachten ist.[4]

 

Beispiel

Im Termin zur mündlichen Verhandlung weist das Gericht darauf hin, dass die Klage i.H.v. 10.000,00 EUR zwar schlüssig sei, nicht jedoch der Zinsantrag (Gegenstandswert 500,00 EUR). Nach Erörterung wird der Zinsantrag zurückgenommen. Der Kläger beantragt ein Versäumnisurteil.

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   725,40 EUR  
  (Wert: 10.000,00 EUR)      
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   54,00 EUR  
  (Wert: 500,00EUR)      
3. 0,5-Terminsgebühr, Nrn. 3104, 3105 VV     279,00 EUR
  (Wert: 10.000,00 EUR)      
 

(die Grenze des § 15 Abs. 3 RVG,

nicht mehr als 1,2 aus 10.000,00 EUR

= 669,60 EUR wird nicht erreicht)
     
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR  
  Zwischensumme 1.078,40 EUR    
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   204,90 EUR  
Gesamt   1.283,30 EUR  

III.

Erscheint der Gegner vor dem LG oder vor dem FamG in einer Familienstreitsache, gilt er als nicht erschienen, da er wegen des dort bestehenden Anwaltszwangs nicht postulationsfähig ist. Wird vor Erlass eines Versäumnisurteils aber mit dem Gegner zunächst erörtert, greift die Ermäßigung ebenfalls nicht, da dann nicht "lediglich" ein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt wird.[5]

 

Beispiel

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LG erscheint der Beklagte persönlich, jedoch ohne anwaltliche Vertretung. Das Gericht erörtert die Sache dennoch mit den Parteien. Hiernach beantragt der Anwalt des Klägers den Erlass eines Versäumnisurteils gegen den Beklagten.

Es entsteht die volle 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV.

Kein Erörtern in diesem Sinne ist der bloße Hinweis des Gerichts, dass die Partei nicht postulationsfähig sei und keinen Antrag stellen könne. In diesem Fall entsteht nur die ermäßigte Terminsgebühr nach Nr. 31...

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