Rechtsanwalt K. war ab dem 16.2.2015 für seinen inhaftierten Mandanten im Ermittlungsverfahren und zunächst auch noch im gerichtlichen Verfahren vor dem LG als Wahlverteidiger tätig. Am ersten Hauptverhandlungstag wurde er nach Niederlegung seines Wahlmandats zum Pflichtverteidiger bestellt. Bis dahin hatte er an der Haftbefehlsverkündung, einem Haftprüfungstermin vor dem Ermittlungsrichter und einem weiteren Haftprüfungstermin vor der Strafkammer teilgenommen. Er verteidigte den Angeklagten in zwei Terminen zur Hauptverhandlung, legte gegen das Urteil Revision ein und begründete diese.

Nach dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens beantragte Rechtsanwalt K., für das Verfahren vor der Strafkammer und die Revision Pflichtverteidigergebühren und Auslagen in einer Gesamthöhe von 1.961,12 EUR brutto festzusetzen. Er erklärte, mit seinem Mandanten für das Ermittlungsverfahren, für das er keine Pflichtverteidigervergütung geltend mache, eine gesonderte Vergütungsvereinbarung i.H.v. 4.300,00 EUR brutto (= 3.613,44 EUR netto) getroffen zu haben. Dieser Betrag sei ihm auch gezahlt worden. Weitere Zahlungen und/oder Vorschüsse habe er nicht erhalten. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat dem Antrag lediglich i.H.v. 633,08 EUR stattgegeben. Unter Bezugnahme auf die entsprechende Stellungnahme der Bezirksrevisorin des LG hat sie dies damit begründet, dass eine analoge Anwendung des § 58 Abs. 3 S. 4 RVG gerechtfertigt sei. Die vereinbarte Zahlung des Verurteilten auf die Gebühren des Ermittlungsverfahrens überschreite die Höchstgebühren eines Wahlverteidigers deutlich (um das 3,04-fache). Daher sei das für das Ermittlungsverfahren geleistete Honorar i.H.v. 3.613,44 EUR nur bis zu den Beträgen der Höchstgebühren eines Wahlverteidigers und im Übrigen in vollem Umfang auf das erstinstanzliche Verfahren anzurechnen. Dementsprechend hat die Urkundsbeamtin den festgesetzten Betrag wie folgt berechnet:

 
Praxis-Beispiel

I. Ermittlungsverfahren

 
Grundgebühr, Nr. 4101 VV (Höchstgebühr) 450,00 EUR
Terminsgebühr, Nr. 4103 VV (Teilnahme am Haftbefehlsverkündungstermin am 17.2.2015 mit Verhandlung über die Haftfrage und am Haftprüfungstermin am 3.3.2015) (Höchstgebühr) 375,00 EUR

Verfahrensgebühr, Nr. 4105 VV

(Höchstgebühr)
362,50 EUR
Insgesamt 1.187,50 EUR
Abzuziehen erhaltene Nettozahlung 3.613,44 EUR
Somit auf die beantragten Gebühren für das gerichtliche Verfahren anzurechnender Betrag 2.425,94 EUR
 
Praxis-Beispiel

II. Gerichtliches Verfahren

 
Verfahrensgebühr, Nr. 4113 VV 180,00 EUR
Terminsgebühr, Nr. 4103 VV (Teilnahme am Haftprüfungstermin am 2.4.2015) 166,00 EUR
Terminsgebühren je Hauptverhandlungstag, Nr. 4115 VV  
– 29.5.2015 312,00 EUR
– 4.6.2015 312,00 EUR
Insgesamt 970,00 EUR
Doppelter Betrag (§ 58 Abs. 3 S. 3 RVG) 1.940,00 EUR
Abzuziehen restliche Nettozahlung 2.425,94 EUR
Noch aus der Landeskasse zu gewährender Betrag 0,00 EUR
Pauschale gem. Nr. 7002 VV 20,00 EUR
Zwischensumme 20,00 EUR
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 3,80 EUR
Anzusetzen 23,80 EUR
 
Praxis-Beispiel

III. Revisionsverfahren

 
Verfahrensgebühr, Nr. 4130 VV 492,00 EUR
Pauschale gem. Nr. 7002 VV 20,00 EUR
Zwischensumme 512,00 EUR
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 97,28 EUR
Anzusetzen 609,28 EUR
Festgesetzter Betrag 633,08 EUR

Das LG hat mit der angefochtenen Entscheidung der Erinnerung des Rechtsanwalts K. im Wesentlichen stattgegeben und die ihm aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung für das gerichtliche Verfahren und das Revisionsverfahren auf 1.787,38 EUR festgesetzt. Gekürzt hat es lediglich die Gebühr für den Haftprüfungstermin vor dem LG, die vom Antragsteller zu hoch angesetzt worden war. Im Übrigen hat es dargelegt, dass das dem Antragsteller aufgrund der Honorarvereinbarung für das Ermittlungsverfahren gezahlte Entgelt allein auf die im Ermittlungsverfahren und nicht auch auf die im gerichtlichen Verfahren entstandenen Gebühren anzurechnen sei. Eine analoge Anwendung des § 58 Abs. 3 S. 4 RVG sei nicht gerechtfertigt. Dementsprechend hat es den festgesetzten Betrag wie folgt berechnet:

 
Praxis-Beispiel

II. Gerichtliches Verfahren

 
Verfahrensgebühr, Nr. 4113 VV 180,00 EUR
Terminsgebühr, Nr. 4103 VV (Teilnahme am Haftprüfungstermin am 2.4.2015) 166,00 EUR
Terminsgebühren je Hauptverhandlungstag, Nr. 4115 VV  
– 29.5.2015 312,00 EUR
– 4.6.2015 312,00 EUR
Pauschale gem. Nr. 7002 VV 20,00 EUR
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 188,10 EUR
Anzusetzen 1.178,10 EUR
 
Praxis-Beispiel

III. Revisionsverfahren

 
Verfahrensgebühr, Nr. 4130 VV 492,00 EUR
Pauschale gem. Nr. 7002 VV 20,00 EUR
Zwischensumme 512,00 EUR
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 97,28 EUR
Anzusetzen 609,28 EUR
Festgesetzter Betrag 1.787,38 EUR

Mit ihrer Beschwerde hält die Bezirksrevisorin an ihrer Auffassung fest, dass § 58 Abs. 3 S. 4 RVG analog anzuwenden sei, und begehrt die Wiederherstellung der urkundsbeamtlichen Festsetzung. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.

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