Die Entscheidung ist falsch. Mit dem 2. KostRMoG ist in die Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV der Zusatz "und eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann" eingefügt worden[1] Damit ist – wie auch in anderen Fällen – das Entstehen einer "fiktiven" Terminsgebühr auf die Fälle beschränkt worden, in denen der Anwalt durch sein Prozessverhalten eine mündliche Verhandlung erzwingen kann. Nur in diesen Fällen ist nach Auffassung des BMJ eine Steuerungswirkung notwendig. Der Anwalt wird also nur dann von einer "fiktiven" Terminsgebühr profitieren, wenn ihm dadurch eine an sich zu erwartende Terminsgebühr entgeht. Es soll damit für ihn ein Anreiz geschaffen werden, nicht aus Gebühreninteressen auf die Durchführung der Verhandlung zu bestehen. In den Fällen, in denen das Gericht ohnehin ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist dieser Anreiz nicht erforderlich. Wie auch in anderen Fällen hat der Gesetzgeber auch hier das Vergütungsverzeichnis bereinigt und bisher mögliche Terminsgebühren in Verfahren, in denen ohnehin ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, aus dem Anwendungsbereich der Terminsgebühr herausgenommen.

Eine Terminsgebühr bei Erlass eines Gerichtsbescheids soll nach dem Willen des Gesetzgebers in allen Gerichtsbarkeiten nur noch dann anfallen, wenn im Verfahren eine mündliche Verhandlung erzwungen werden kann (siehe auch die Änderungen zu Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 3106, Anm. Abs. 1 und 2 zu Nr. 3202; Nr. 3210 VV RVG). Das wiederum ist in Verfahren der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit nur dann der Fall, wenn kein Rechtsmittel gegeben ist, also bei Entscheidungen des VG oder des SG, die nicht kraft Gesetzes berufungsfähig sind und bei denen die Berufung auch nicht zugelassen worden ist (§ 84 Abs. 1 VwGO, § 105 Abs. 2 S. 2 SGG).

In diesem Fall haben die Parteien die Möglichkeit, nach Erlass des Gerichtsbescheids innerhalb eines Monats eine mündliche Verhandlung zu beantragen (§ 84 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, § 105 Abs. 2 SGG), sodass hier weiterhin eine Terminsgebühr anfällt, wenn das SG durch Gerichtsbescheid entscheidet, ohne dass ein Termin stattgefunden hat.

Kann gegen den Gerichtsbescheid jedoch ein Rechtsmittel eingelegt werden, weil die Entscheidung des VG oder des SG kraft Gesetzes berufungsfähig ist oder das VG bzw. das SG die Berufung zugelassen hat (§ 82 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 124a VwGO, § 144 SGG), fällt keine Terminsgebühr an, weil dann eine mündliche Verhandlung nicht obligatorisch ist.

Soweit nur die Möglichkeit besteht, gegen die Nichtzulassung der Berufung gem. §§ 84 Abs. 2 Nr. 4, 124a Abs. 4 VwGO § 145 SGG Beschwerde einzulegen, führt dies nicht zum Ausschluss der Terminsgebühr. Zwar ist dann bei positiver Bescheidung der Beschwerde die Berufung eröffnet; nach einhelliger Rechtsprechung kann jedoch immer mündliche Verhandlung beantragt werden, wenn die Berufung nicht von Vornherein zulässig ist. Die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde steht dem Antrag auf mündliche Verhandlung nicht entgegen.[2]

Norbert Schneider

AGS 10/2016, S. 461 - 463

[1] Änderung durch Art. 8 Abs. 2 Nr. 30 Buchst. a).
[2] Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 105 Rn 16.

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