In AGS 2014, 341 wurde folgende Entscheidung des LG Braunschweig mit zustimmender Anmerkung von N. Schneider veröffentlicht:

 
Hinweis

Wird zunächst innerhalb der Zweimonatsfrist des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG Klage gegen einen in der Wohnungseigentümerversammlung gefassten Beschluss erhoben und erst innerhalb der weiteren Zwei-Monats-Frist ein auf einen Tagesordnungspunkt beschränkter Antrag gestellt, richtet sich der Streitwert des gesamten Verfahrens nur nach dem Wert des Antrags.

Sowohl die Entscheidung als auch die Anmerkung von N. Schneider geben Anlass zu Kritik.

Die Entscheidung ist unzutreffend. Das LG Braunschweig weist zunächst zutreffend auf § 40 GKG hin; demnach gilt: "Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet." Diese Vorschrift ist eigentlich eindeutig. Das LG Braunschweig meint aber, dass § 46 WEG hiervon abweiche.

§ 46 Abs. 1 S. 2 WEG sieht vor, dass die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung erhoben und innerhalb zweier Monate nach der Beschlussfassung begründet werden muss.

Nach Auffassung des LG Braunschweig könne sich erst aus der Begründung der Lebenssachverhalt (Klagegrund) ergeben, weshalb sich auch erst hieraus der Umfang der Anfechtung ergeben müsse. Damit verkennt das LG Braunschweig den Begriff der Begründung und vermengt ihn mit dem Begriff des Antrags; seine Auffassung ist weder mit dem übrigen Gesellschaftsrecht noch mit dem Willen des WEG-Gesetzgebers zu vereinbaren.

Dass der Kläger bei Erhebung einer Anfechtungsklage mit seinem Antrag klarstellen muss, welche Beschlüsse er angreift, ist nämlich im gesamten Gesellschaftsrecht unstreitig. Der Kläger kann sich also nicht darauf zurückziehen, dass er erst mit der Begründung festlegen wolle, wogegen er sich wendet. Mit der Auffassung des LG Braunschweig ließe sich hingegen auch vertreten, dass pauschal alle Beschlüsse einer Wohnungseigentümerversammlung angefochten werden dürfen und erst innerhalb der Begründungsfrist klargestellt werden muss, welche Beschlüsse tatsächlich angefochten sein sollen; dieses Ergebnis wäre – vermutlich unstreitig – falsch. Wenn der Kläger aber klarstellen muss, welche Beschlüsse er angreift, kann und muss er auch klarstellen, in welchem Umfang das jeweils geschieht. Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, weshalb hier differenziert werden sollte, sodass der Kläger sich zwar innerhalb der Anfechtungsfrist festlegen müsse, welche Beschlüsse er anficht, aber nicht, in welchem Umfang.

Wenn der Kläger mit der Klageeinreichung binnen Monatsfrist klargestellt hat, welchen Beschluss er in welcher Hinsicht angreifen möchte, kann er sich gem. § 46 WEG Abs. 1 S. 2 WEG mit der Begründung einen weiteren Monat Zeit lassen. Diese Begründung der Klage hat dann aber nichts mit der Frage zu tun, wogegen sich der Kläger wendet – das steht schon fest. Das OLG Stuttgart,[1] von dessen Ansicht das LG Braunschweig abweicht, verweist in diesem Zusammenhang zutreffend auf die Gesetzesbegründung. Der Gesetzgeber der WEG-Reform 2007 orientierte sich bei Schaffung des § 46 WEG an der aktienrechtlichen Anfechtungsklage.[2] Und im Aktienrecht ist es unumstritten, dass der Umfang der Klage (und auch ihre Begründung) innerhalb der Klagefrist vorgetragen werden muss. Entsprechend § 246 AktG sah auch der erste Regierungsentwurf des WEG-Reformgesetzes zunächst nichts weiter als eine einmonatige Anfechtungsfrist vor. Erst nach einer Überarbeitung des Entwurfs wurde S. 2 in § 46 WEG eingeführt und wie folgt begründet: "Die Frist für die Begründung der Klage von zwei Monaten ab der Beschlussfassung berücksichtigt, dass die Niederschrift über die Versammlung der Wohnungseigentümer, die insoweit wichtig sein kann, den Wohnungseigentümern manchmal erst kurz vor Ablauf der Klagefrist zur Verfügung steht und die Meinung vertreten wird, die zur Begründung verbleibende Zeit sei in Fällen dieser Art zu knapp."[3] Daraus ergibt sich, "dass die lange Frist nicht dazu dient, den Umfang der Anfechtung zu klären, sondern die Begründungslast abzumildern und genügend Zeit einzuräumen, um die Gründe für die Anfechtung darzulegen."[4]

Die Rechtslage ist, anders als N. Schneider in seiner zustimmenden Anmerkung[5] zu der Entscheidung des LG Braunschweig meint, nicht der Berufung vergleichbar. Bei Berufungseinlegung muss noch kein Antrag gestellt werden; das ist bei der Anfechtungsklage anders. Bei der Anfechtungsklage handelt sich nicht "faktisch um ein “Rechtsmittel‘ gegen den Beschluss". Auch das hat das OLG Stuttgart[6] bereits zutreffend dargelegt und insoweit wieder darauf verwiesen, dass die WEG-Anfechtungsklage der aktienrechtlichen Anfechtungsklage nachgebildet ist. Für die Anfechtungsklage nach § 246 AktG hat der BGH klargestellt, dass sich aus dem Berufungsrecht nicht etwa ergebe, dass ein Anfechtungskläger jederzeit neue Anfechtungsgründe in den Rechtsstreit einführen könne.[7]

Auch Suilmann weist darauf hin, dass ein Wohnungseigentümer...

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